Im Gegensatz zu anderen Viren war und ist der Erreger der Maul- und Klauenseuche für die Menschen keine Bedrohung – für Klauentiere, d.h. Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen, aber sehr gefährlich: die hochansteckende Krankheit führt oft zum Tode.
Das Virus war 1898 von Friedrich Loeffler und Paul Frosch entdeckt und beschrieben worden, wie anschaulich auf einer Seite des Robert-Koch-Instituts nachzulesen ist (die Darstellungen auf den Seiten des Friedrich-Loeffler-Instituts haben andere Schwerpunkte): den Forschern gelang damit der erste Nachweis eines tierischen Virus, und sie gelten heute als (Mit-)Begründer der Virologie.
1920 breitete sich die Seuche rasant aus: die erste Meldung der BZ dazu gab an, dass in der Provinz Schleswig-Holstein 1967 Gehöfte betroffen waren; Ende September war diese Zahl auf 16.109 gestiegen – erst im Oktober gab es dort sinkende Zahlen (BZ vom 10. August und 18. November).
Vorsichtige Landwirte werden auf die Anzeige, die der Curslacker Ernst Rieck platzierte, mit großem Interesse geblickt haben, und wer eine Versicherung – „ehe es zu spät!“ – abschloss, konnte die weitere Ausbreitung etwas entspannter betrachten: der Raum Bergedorf verzeichnete die ersten Fälle im August (je ein Gehöft in Sande/Lohbrügge und Allermöhe, BZ vom 13. und 30. August), im September gab es zahlreiche Meldungen aus allen Vierländer und Marschländer Gemeinden, und so wurde über weite Teile dieser Gebiete eine „Sperre“ verhängt, d.h. dass Tiere eines betroffenen Viehhalters auf dem Gehöft verbleiben mussten. Schon vorher hatten die Landherrenschaften verfügt, dass Unbefugte Weiden mit Klauentieren nicht betreten durften, um eine Verschleppung der Seuche zu verhüten, und sie verboten die Abhaltung von Viehmärkten „bis auf weiteres“: erst am 21. Februar 1921 fand der Bergedorfer Schweinemarkt wieder statt (BZ vom 18. und 21. Februar 1921), am 2. März 1921 dann meldete die BZ, dass die Landherrenschaft alle Absperr- und anderen Schutzmaßnahmen aufgehoben hatte.
Im Kreis Herzogtum Lauenburg waren sogar alle Tanzlustbarkeiten in den betroffenen Gemeinden untersagt worden (BZ vom 9., 14. und 23. September) – so weit gingen die Einschränkungen auf Hamburger Gebiet nicht: es wurde weiter fröhlich gefeiert, sogar der Ziegenzuchtverein Neuengamme Oberwärts veranstaltete am 24. Oktober einen „Großen Ball verbunden mit Preiskegeln“ (BZ vom 2. und 20. Oktober) und schuf so eine gute Gelegenheit zur weiteren Verbreitung des Virus.
Von der heiteren Seite betrachtete der Inhaber des Hansa-Kinos in Bergedorf, wo es auch zwei Seuchen-Meldungen gegeben hatte (BZ vom 21. und 28. Oktober), die ganze Sache, wobei nicht geklärt ist, ob er auch der Knittelpoet war: dass „Das Kußverbot“ eine Biedermeier-Filmoperette war, enthüllte er erst in einer weiteren Anzeige am folgenden Tag. Nicht jeder wird das alles lustig gefunden haben.
Was konnte man gegen das Virus tun? Man kann davon ausgehen, dass die Waschungen mit „Contrastosa“ den Tieren nicht geholfen haben, aber vielleicht haben sie ja auch nicht geschadet. Die vom Tierseucheninstitut der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein empfohlene „Blutimpfung“ (BZ vom 11. November) wird ebenso wirkungslos gewesen sein. Immerhin: das Reichsgesundheitsamt wollte „unter der Beteiligung möglichst vieler hierzu geeigneter Institute im Reiche eine gesteigerte Forschungstätigkeit“ zur Bekämpfung der Seuche finanzieren (BZ vom 1. November). Besser wäre das Forschungsgeld wohl auf das von Loeffler gegründete Institut konzentriert worden – nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts zur Vita Loefflers gelang es dem 1915 verstorbenen Loeffler selbst, „das erste Schutzserum gegen die Maul- und Klauenseuche herzustellen, das jedoch aus Kostengründen nicht zur Anwendung kam.“ Im Gegensatz dazu heißt es auf der oben bereits angeführten Seite des Robert-Koch-Instituts: „Doch erst 1938 wird es den Wissenschaftlern dort [i.e. an Loefflers Institut] gelingen, einen Impfstoff gegen die Tierseuche zu entwickeln.“ Der Widerspruch ist hier nicht aufzulösen; vielleicht gelingt es anderen.
Der letzte Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Deutschland wurde 1988 registriert.