Die geplante Verlängerung der höheren Knabenschule

Bergedorfer Zeitung, 2. Juni 1921

Staatsbürgerkunde und Werkunterricht hatten Einzug in den Schulalltag auch der höheren Schule gehalten – die Grundlage dafür bildete Artikel 143 Abs. 3 der Weimarer Verfassung. Hinzu kam die körperliche Ausbildung, und so meinten die Experten, man müsse der höheren Knabenschule ein zusätzliches Jahr anfügen.

Ob Prof. Ohly, Direktor der Hansaschule, von dem neuen Fach „Staatsbürgerkunde“ begeistert war, kann angesichts seiner Einstellung zum demokratischen Staat bezweifelt werden (siehe z.B. den Beitrag zur Bergedorfer Bilderstürmerei) – in seiner Schrift zur Hansa-Schule von 1925 überging er es schlicht mit Schweigen.

Bergedorfer Zeitung, 4. Februar 1921

Für die anderen neuen Fächer hatte er immerhin einige Zeilen übrig, nicht ohne implizite Beschwerde über die Oberschulbehörde: die benötigte Ausstattung für das Tischlern und das Buchbinden musste sich die Schule selbst beschaffen. Der Spendenaufruf war laut Ohly erfolgreich: die benötigten Mittel wurden „fast ganz selbst aufgebracht“ (ebd., S. 49), von der Oberschulbehörde gab es für die Buchbinderei immerhin Blöcke und gebrauchte Tischplatten.

Warum diese Erweiterung des Fächerkanons „selbst bei herabgesetzten stofflichen Zielen“ in den anderen Fächern eine Schulzeitverlängerung erfordern sollte, wie der Arbeitsausschuss für das höhere Schulwesen meinte, erschließt sich zumindest für die Hansa-Schule nicht, denn der von Ohly so bezeichnete Handfertigkeitsunterricht fand „natürlich außerhalb der eigentlichen lehrplanmäßigen Stunden“ (ebd.) statt.

Bergedorfer Zeitung, 8. Februar 1921

Die pädagogische Begründung für den „Arbeitsunterricht“ war bereits im Februar in der BZ zu lesen gewesen, offenbar um den Spendenaufruf Ohlys zu unterstützen. Über den Autor Brodersen ließ sich nichts herausfinden, aber manches in seinem Namensartikel dürfte bei Ohly auf Ablehnung gestoßen sein, vor allem die Forderung, diesen Unterricht „als obligatorisches Lehrfach an die Stelle anderer nicht so wichtiger Unterrichtsstunden“ zu setzen. Der reformorientierte Brodersen erwartete, dass dem „praktischen Leben“ die Tür ins Gymnasium geöffnet würde, und mehr noch: „Wertunterschiede der Berufsklassen“ sollten als „einfältig und verderblich“ erkannt und dadurch Standesunterschiede überwunden werden. Ohly hingegen stellte 1925 fest: „Mancher Knabe, der in den Wissenschaften nur Geringes leistete, hat gerade hier im Werkunterricht oft ungeahnte technische Anlagen gezeigt … und sich dadurch den Weg zum praktischen Beruf geebnet.“ (Ebd., S. 50)

Die Verlängerung der Schulzeit ließ trotz der neuen Fächer auf sich warten: sie kam erst 1925, kurz bevor Ohly in den Ruhestand trat (ebd., S. 61).

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