Von freier Liebe und Wanderärzten

BZ, 31. März 1920

Man würde ja gern wissen, was genau der „Club der freien Liebe“ im dörflichen Curslack so trieb – allein, diese Anzeige ist der einzige bekannte Beleg dafür, dass es den Verein gab. Ob es sich hierbei um einen Ableger einer Bewegung amerikanischer Feministinnen des 19. Jahrhunderts handelte, die für Freie Liebe eintraten, oder um einen Vorläufer der 1968er-Bewegung oder um etwas ganz anderes, bleibt rätselhaft, auch warum es zur freien Liebe eines Vereins bedurfte.

BZ 31. März 1920

Der Unterhaltungsklub „Freundschaft“ in Kirchwärder-Seefeld war da sicher unverfänglicher: er veranstaltete wie andere ländliche Vereine gleichen oder ähnlichen Namens z.B. „Tanzvergnügen“ und „Festbälle“, wie aus diversen Inseraten zu ersehen ist.

 

 

BZ, 31. März 1920

Die ärztliche Versorgung im Landgebiet war vor hundert Jahren deutlich schlechter als heute. In Altengamme und Curslack war damals kein Arzt ansässig – die Bewohner dieser Dörfer waren auf den Neuengammer Mediziner Dr. Custodis angewiesen, aber dieser war gegenüber den Altengammern durchaus entgegenkommend, wie die Anzeige belegt. Man muss allerdings davon ausgehen, dass die Altengammer Postagentur (und Krämerei) von Nicolaus Timmann nicht den Ausstattungsstandard einer heutigen Landarztpraxis aufwies.

BZ, 10. April 1920

In Neuengamme und Curslack sollte Custodis aber bald einen Wettbewerber erhalten: ein Dr. Bilicki ließ sich in seiner Nähe nieder, der morgens 60 Minuten Sprechstunde „im Hause“ anbot und als Wanderarzt die Nachmittagssprechstunden auf drei Standorte in Gastwirtschaften verteilte, sodass Patienten (und vielleicht auch der Arzt) sich eventuelle Wartezeiten durch die Nutzung gastronomischer Angebote angenehmer gestalten konnten.

Im historischen Gasthof „Stadt Hamburg“ in Curslack ist heute übrigens eine allgemeinmedizinische Praxis ansässig, deren Ausstattung durchaus dem Standard des 21. Jahrhunderts entspricht. Gastronomie, Kegelbahn und Schießstand sind deshalb außer Betrieb.

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