Barkasse Erich: kein Geschwindigkeitsrausch

BZ, 17. April 1920

Nur langsam kam die Barkasse Erich auf der Elbe voran, obwohl sie talwärts fuhr: für den Törn entlang des Kirchwärder Elbufers benötigte sie fahrplanmäßig dreieinhalb Stunden – die Reisegeschwindigkeit ist nicht genau zu errechnen, da unklar ist, ob sie vom West- oder vom Ost-Krauel fuhr und als letztes im Warwischer Hafen anlegte oder ein paar hundert Meter weiter am Löschplatz des Mehlhändlers Otto Meyer (bzw. seines Sohnes Heinrich). Jedenfalls muss die Reisegeschwindigkeit deutlich unter 3 km/h gelegen haben. Das war also nichts für eilige Leute: diese nahmen eher einen der Lauenburger Dampfer, die Hamburg sehr viel schneller erreichten.

Das sehr gemütlich erscheinende Tempo der Barkasse Erich lag aber nicht daran, dass sie gegen die Tideströmung ankämpfen musste, denn die knapp 4 km von Sande bis Warwisch schaffte sie in weniger als 30 Minuten. Der Hauptgrund dürften längere Aufenthalte an den Anlegestellen gewesen sein, die aus zwei Gründen erfolgten: zum einen musste Fracht an Bord genommen werden, die zum Großmarkt in den heutigen Deichtorhallen gebracht wurde – zum anderen dürften genaugehende Uhren damals beim Schiffsführer wie bei den Fahrgästen selten gewesen sein: alle Zeitangaben werden als „ungefähr“ verstanden worden sein. Dementsprechend ging man so rechtzeitig von zu Hause los, dass man noch einkehren konnte, denn in der Nähe der meisten in der Anzeige genannten Stationen lagen Gasthäuser. Dort konnte man wettergeschützt ein Getränk zu sich nehmen, und wenn das Tuten bzw. Pfeifen (das genaue Signal ist nicht überliefert) der sich nähernden Barkasse ertönte, wurde es langsam Zeit zu bezahlen. Man musste aber nicht sofort das Glas oder die Tasse leeren: erst wenn der Barkassenführer nach erfolgter Beladung erneut Signal gab, wusste man, dass man sich nun auf den restlichen kurzen Weg zum Landungssteg bzw. Löschplatz zu machen hatte.

Bergedorfer Zeitung, 25. November 1919

Betreiber der Barkasse war der bereits aus früheren Beiträgen bekannte Hermann Kröger, der das Sortiment seines „Kaufhaus Kröger“ Ende 1919 um eine Lebensmittelabteilung erweitert hatte (BZ vom 27. November 1919), und für die er fortan regelmäßig inserierte. Dafür stellte er offenbar seine „Lichtspiele Hermann Kröger“ ein: die letzte Anzeige dafür datiert vom 3. Dezember 1919.

 

 

 

BZ, 29. Mai 1920

Bergedorfer Zeitung, 8. Juli 1920

Das Kaufhaus forderte offenbar den ganzen Mann, denn auch seinen Barkassen-betrieb stellte er bald ein. Das Zubehör, u.a. Taue sowie Persenninge zum Abdecken der Ladung und zur Überdachung des Passagierbereichs, verkaufte er. Was aus „Erich“ wurde, ist unbekannt.

Für die Hilfe bei der Lokalisierung der Anlegestelle „Warwisch, bei Otto Meyer“, die in einer anderen Anzeige genannt wurde (BZ vom 27. März), möchte ich mich bei Klaus Zeyns und Eckhart Reinert bedanken.

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