Das klang verheißungsvoll: in Bergedorf wurde die Siedlungsgenossenschaft „Sonnenland“ beim Amtsgericht Bergedorf registriert: „Gegenstand des Unternehmens ist die Landbesiedelung, sowie die Errichtung von Wohnhäusern für die Besiedler.“
Die städtischen Bauvorhaben kamen nicht voran (siehe den Beitrag Der verzögerte Kleinwohnungsbau an der Brunnenstraße), Wohnungen fehlten (siehe den Beitrag Wohnungsnot und kein Ende) – nun wollten Privatpersonen mit einem genossenschaftlichen Projekt die Initiative ergreifen.
Zwar wurde das Vorstandsmitglied Franz Giersig hier als „Beamter“ bezeichnet, aber er war „Privatbeamter“, d.h. Angestellter einer Firma, der seit 1916 als Nebentätigkeit „Rat und Hülfe“ in Rechts-, Militär- und behördlichen Angelegenheiten anbot und sich in seinen Anzeigen als „Bureauvorsteher“ bezeichnete (siehe den Beitrag Reklamationen). Er wechselte später als Abteilungsvorsteher zur Hamburger Handelskammer (laut Hamburger Adressbuch für 1926). Sein Vorstandskollege Hermann Preussner war offenbar selbstständiger Innendekorateur (laut Hamburger Adressbuch für 1920). Über die Bankbeamtin Martha Michaelsen, die den Vorstand komplettierte, war den Adressbüchern, die immer nur den Haushaltsvorstand nannten, nichts zu entnehmen, da es mehrere Einträge des Nachnamens gab.
Als Anschrift der Genossenschaft nennt das Hamburger Adressbuch für 1920 die Privatadresse Giersigs, Kampchaussee 78 – im Hamburger Adressbuch für 1922 wird Brauerstraße 149 angegeben.
Jedenfalls spricht viel dafür, dass es sich um ein seriöses Vorhaben handelte – allein, es wurde nichts daraus. Welche Gründe es für das Scheitern gab, war nicht klar auszumachen: es gab 1919 keine Berichte über versuchte Grundstücksankäufe von der Stadt Bergedorf, und 1922 tauchte das „Sonnenland“ zum letzten Mal im Adressbuch auf.
Etwas unterhalb dieses letzten Sonnenland-Eintrags findet man die Angaben einer „Siedlung Gut Hinschendorf (Gemeinde Reinbek)“, die ihre Geschäftsstelle ebenfalls in der Brauerstraße 149 betrieb – vermutlich gab es Verbindungen zwischen diesen Einrichtungen, da die Zwecke ja zumindest ähnlich waren.
Der Verein „Siedlung Gut Hinschendorf“ hatte schon 1919 einen Erfolg verkündet: man habe sich mit dem Gutsbesitzer geeinigt, etwa 100 Siedler sollten „voraussichtlich schon in nächster Zeit“ mit dem Bau beginnen können. Das allerdings war zu optimistisch: erst nach der Weltwirtschaftskrise begann der Eigentümer mit der Parzellierung, und 1931 erfolgten die ersten Grundstücksverkäufe, wie auf der Seite Siedlung Hinschendorf des Geschichts- und Museumsvereins Reinbek nachzulesen ist – von einer Genossenschaft oder einem Siedlungsverein ist dort nicht die Rede.
Man kann also schlussfolgern, dass die Sonne nie über dem „Sonnenland“ schien. Die Siedlung Sonnenland in Hamburg-Billstedt entstand erst in den 1960er Jahren und hat mit der Genossenschaft von 1919 nichts zu tun.