1080 männliche, 260 weibliche Arbeitslose waren beim Arbeitsamt der Stadt Bergedorf gemeldet, wie Ratmann Wiesner in einer Mitgliederversammlung der SPD erklärte (Gesamtbevölkerung Bergedorfs etwa 16.000, d.h. einschließlich Kindern und Rentnern). Nicht nur in der Pulverfabrik Düneberg und den Dynamitwerke Krümmel gab es keine Arbeit mehr, die Munitionsfabrik Weiffenbach hatte den Betrieb eingestellt, bei einer Reihe weiterer Firmen, die im Beitrag Granatendrehen und andere Kriegsarbeit genannt wurden, waren die direkten und indirekten Rüstungslieferungen ebenso entfallen. Neue Arbeitsplätze entstanden meist nur durch „Notstandsarbeiten“, z. B. beim Bau der Hamburger Marschbahn – betrüblich für Bergedorf war, dass ein vergleichbares Projekt, der Bau einer Schnellbahn von Billbrook nach Bergedorf, nicht zur Realisierung gelangte.
Die finanzielle Unterstützung der Arbeitslosen war schmal bemessen: der Höchstsatz für Männer betrug 4 Mark täglich, für Frauen 2,50 Mark, für Jugendliche lag er noch darunter (BZ vom 30. Januar 1919). Nicht-rationierte Lebensmittel (außer Rüben) waren teuer, z.B. Zwiebeln 32 Pfennig und Dörr-Weißkohl 2,20 Mark pro Pfund; für die karge Kartoffelration von vier Pfund waren 48 Pfennig aufzuwenden (BZ vom 1. Februar 1919).
Es kann daher nicht überraschen, dass es auch in Bergedorf zu Versammlungen von Arbeitslosen kam, die sich u.a. dagegen wehrten, in der Zeitung als „Arbeitsscheue“ gebrandmarkt zu werden. Die BZ erklärte dazu, dass sie den Begriff nur in „unveränderten Wiedergaben offiziöser Berichte“ verwandt habe, aber die örtlich „schwierige Lage infolge der Stillegung einer Reihe von Fabriken“ nicht verkenne und die hiesigen Arbeitslosen nicht habe diskriminieren wollen. Ob dies aufrichtig gemeint war oder eher furchtgetrieben nach den vorangegangenen Ereignissen in Hamburg (siehe die Beiträge zur Bergedorfer Demonstration und zur Neujahrsdemo in Bergedorf und Sande)?