Das war sicher eine Überraschung: die zur Repatriierung in Sammellager verbrachten kriegsgefangenen Russen kamen wieder nach Kirchwärder-Warwisch, offenbar aus eigenem Antrieb, aus dem Lager Parchim in Mecklenburg, trotz Winterwetters, wahrscheinlich zu Fuß, über ca. 140 Kilometer.
Das war nach Jochen Oltmer (S. 269ff.) durchaus kein Einzelfall: in der Provinz Hannover kam es zu einer erheblichen Zahl solcher Entweichungen, Landwirte verleiteten Gefangene sogar zur Flucht, um sie (wieder) als Arbeitskräfte zu bekommen, denn trotz allgemein hoher Arbeitslosigkeit fehlte in der Landwirtschaft (wegen der Arbeitsbedingungen und der niedrigen Löhne) Personal.
Die bessere Verpflegung mag ein wichtiges Motiv für eine Flucht gewesen sein, aber die sonstigen Zustände im Lager werden ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Wie human die Russen seitens der Landbevölkerung in Kirchwärder behandelt wurden, ist nicht bekannt, aber dass es ihnen hier besser erging, ist plausibel: für die Bewacher in Parchim waren sie eher eine Last, für die Bauern eine Unterstützung.
Was letztlich aus diesen Russen wurde, ist nicht bekannt – möglicherweise blieben sie oder einige von ihnen über Jahre in Deutschland (siehe hierzu ebenfalls Oltmer, ebd.): der Aufenthalt konnte amtlich gestattet werden, wenn dem Arbeitgeber keine deutschen Arbeitskräfte zugewiesen werden konnten (BZ vom 1. August 1919).