Der Aufruf der Sozialdemokratischen Vereine und des Gewerkschaftskartells zu einer Neujahrsdemonstration war keine isolierte lokale Aktion: auch in Hamburg und andernorts fanden ähnliche Veranstaltungen statt. Mit diesen Kundgebungen wollte die SPD zeigen, dass der nun ohne USPD-Mitglieder regierende Rat der Volksbeauftragten breite Unterstützung genoss und dass es demokratische Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung geben sollte.
Es waren bewegte Tage: in Hamburg war ein Putsch einer bürgerlichen Gruppe vereitelt worden, der nach einem führenden Konspirateur als Abter-Putsch bezeichnet wurde (BZ vom 9., 10. und 12. Dezember). In Berlin besetzte die Volksmarinedivision die Reichskanzlei; es gab Kämpfe zwischen dieser Volksmarinedivision und Einheiten der Garde, die die Regierung Ebert stützte (BZ vom 24. Dezember), die Räume der SPD-Zeitungen „Vorwärts“ in Berlin und „Hamburger Echo“ wurden von Spartakisten bzw. ihnen Nahestehenden besetzt (BZ vom 27. und 30. Dezember), die Reichskonferenz des Spartakusbundes rief dazu auf, das Zustandekommen der Nationalversammlung „mit allen Mitteln“ zu verhindern (BZ vom 31. Dezember). Da wollte die SPD zeigen, wer die Massen mobilisieren konnte.
Aber auch andere politische Kräfte mobilisierten am 1. Januar 1919 ihre Anhänger, und so konnte die BZ gleich über mehrere Veranstaltungen berichten, wie der unten wiedergegebene Artikel zeigt. Obwohl die genannten Teilnahmerzahlen zugunsten der SPD geschönt scheinen (siehe die Angaben bei Christina Ewald, S. 120), war doch die Kundgebung auf der Moorweide sicher mit Abstand die größte: die „Reformer“ hatten viel mehr Unterstützer auf die Straße gebracht als die „Revolutionäre“.
Während in Bergedorf-Sande alles ruhig verlief, „wie man es von der hiesigen Einwohnerschaft ja von jeher gewöhnt ist“ und die Kundgebung musikalisch begleitet wurde, hatte man in Hamburg offenbar erhebliche Befürchtungen und ließ den Demonstrationszug der SPD nicht nur von Musikkapellen, sondern zusätzlich durch ein „Aufgebot von Sicherheitsmannschaften mit Maschinengewehren bewehrten Lastautos“ begleiten. Es blieb aber alles friedlich, auch bei den Versammlungen der anderen Gruppierungen.