Leichtgeschürztes Theater in Sande

Bergedorfer Zeitung, 14. November 1916

Bergedorfer Zeitung, 14. November 1916

Zeitungsleser „-g.“ scheint ziemlich empört gewesen zu sein: Kinder hätten im Theater nichts zu suchen, vor allem nicht, wenn sie die besten Plätze belegten und „leichtgeschürzte Stücke“ zur Aufführung gelangten, und überhaupt dürften sie ja nicht nach 20 Uhr in einem öffentlichen Lokal (in diesem Falle der Holsteinische Hof, siehe BZ vom 12. November 1916) sein. Letzteres traf im Grundsatz zu, siehe den Beitrag Jugend unter Kontrolle, aber Ausnahmen konnten erteilt werden, und wir wollen dem Veranstalter, dem Vaterländischen Frauenverein Sande, nicht unterstellen, die Einholung der Genehmigung verabsäumt zu haben.

Bergedorfer Zeitung, 15. November 1916

Bergedorfer Zeitung, 15. November 1916

Der Berichterstatter der Zeitung teilte die Empörung des Leserbriefschreibers offenkundig nicht: er schrieb über den „vollen Erfolg“ des Abends und die „gut gespielten“ Stücke – wer wissen möchte, ob sie aus heutiger Sicht als „leichtgeschürzt“ einzustufen sind, möge nachlesen: sowohl die Jugendliebe von Adolf Wilbrandt als auch Im weißen Rößl von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg sind in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg vorhanden.

Lokalhistorisch interessanter ist die Nennung der im Bergedorfer Personenlexikon aufgeführten Sander Schriftstellerin Emilie Günther, deren Gedicht „Deutschlands Söhne“ vorgetragen wurde. An sie erinnert heute der Emilie-Günther-Weg in Lohbrügge, doch von ihren Büchern ist in Hamburg nur Der Hof der Familie Siemers in Lohbrügge in der Staats- und Universitätsbibliothek vorhanden (außerdem als Mikrofilm ein Aufsatz über Alte Flurnamen aus dem Kreise Stormarn und der Hamburger Marsch, erschienen in den Stormanischen Heimat-Blättern 1934); wer die Titel Erinnerungsblätter: Gedichte in hoch- und plattdeutscher Mundart sowie Aufführungen und Vorträge für Polterabende und Hochzeiten lesen möchte, muss zum Institut für niederdeutsche Sprache nach Bremen fahren.

Noch einmal zurück zum Theaterabend: es muss offen bleiben, ob der unstreitig sehr gute Besuch der Veranstaltung primär auf die Rezitationen und Stücke zurückzuführen ist oder auf die anschließende Verlosung von Lebensmitteln – angesichts der Versorgungslage mögen manche eher auf den Fasan spekuliert haben als auf das weiße Rössl oder Leichtgeschürztes.

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