Brot ohne Gips, kein Poddern in der Gose-Elbe

Bergedorfer Zeitung, 29. September 1916

Bergedorfer Zeitung, 29. September 1916

Wie schlimm müssen die Zustände gewesen sein, dass die im Reichsgesetzblatt von 1916 veröffentlichte „Bekanntmachung über die Bereitung von Backware“ vom 26. Mai (S. 413ff.) nur vier Monate später durch weitere Regelungen (S. 1084) ergänzt werden musste?
(Der Link öffnet das Inhaltsverzeichnis des Reichsgesetzblatts 1916, dort können dann die angegebenen Seiten aufgerufen werden.)

Streumehl, auch Trennmehl genannt, darf dem Brot zwar höchstens von außen anhaften (Lebensmittel-Lexikon, S. 1909), aber Gips oder Kreide auf der Brotkruste werden keine Geschmacksverbesserer gewesen sein, und wenn sie in den Teig gelangten schon gar nicht, denn z.B. das Roggenbrot bestand ohnehin zu mindestens 25% aus gequetschten oder geriebenen Kartoffeln (oder Bohnen-, Sojabohnen-, Erbsen, Gersten-, Hafermehl etc.). Womöglich hatten Bäcker nach der Lektüre der angegebenen Vorschrift vom Mai 1916 festgestellt, dass sie durch Einsatz von Gips, Kreide und anderen Mineralien eine kleine Reserve an backfähigem Mehl erwirtschaften konnten, die sich sicher gut, wenn auch unerlaubt, verkaufen ließ.

Bergedorfer Zeitung, 14. Dezember 1916

Bergedorfer Zeitung, 14. Dezember 1916

Dass auch diese Ergänzung der Vorschrift nicht alle Probleme lösen konnte, zeigt eine Meldung vom 14. Dezember 1916, nach der „Fußmehl“ und „Ausklopfmehl“ (die Begriffe sprechen für sich) aus Mühlen und Bäckereien als Viehfutter Verwendung finden sollten. (Die geleerten Mehlsäcke wurden abgeholt und mit Hilfe von Sackausklopfmaschinen wurde dann (Aus-)Klopfmehl gewonnen – für diesen Hinweis bin ich Karin und Klaus-Peter Jendrasik sehr dankbar.)

 

Bergedorfer Zeitung, 3. Oktober 1916

Bergedorfer Zeitung, 3. Oktober 1916

Mit dem Begriff „Poddern“ (auch als Pöddern zu finden) werden nur wenige spontan etwas anzufangen wissen, aber der Kontext der Anzeige macht klar, dass es sich um eine Fischfangmethode handelt: das Hamburgische Wörterbuch erläutert das Wort als Fangmethode für Aale (und Plattfische), bei der Regenwürmer ohne Haken auf eine Schnur gezogen werden. Wie das funktioniert(e), wird bei Blog.angeln.de detailliert beschrieben und gezeigt. Für den Aal mag das eine „schonende“ Methode sein, für den Wurm ist sie es nicht, und übriggebliebene Würmer werden auch nur wenige „in einer Tupperdose im Kühlschrank“ aufbewahren wollen.

Dieser Beitrag wurde unter Bergedorf 1916 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert