Wer es irgend konnte, sandte seinem Ehemann, Sohn, anderen Verwandten oder Freunden und Vereinskameraden Feldpostpakete an die Front (siehe den Beitrag Liebesgaben und Feldpost), vor allem, um die Verpflegung aufzubessern. So schickte eine Familie vom Ost-Krauel ihren beiden Söhnen wöchentlich ein bis zwei Päckchen ins Feld und dokumentierte dies in einem Oktavheft. Die Söhne ihrerseits bedankten sich regelmäßig für die Sendungen – das Heft und die Briefe sind erhalten geblieben und wurden eingesehen.
Man konnte auch Kriegsgefangene in Russland mit Paketen bedenken, wobei diese in kyrillischer Schrift zu adressieren waren. Deshalb wird es viele Bergedorfer und Bergedorferinnen gefreut haben, dass ihnen die Gelegenheit gegeben wurde, diese Schrift in einem der Kurse zu erlernen, die der Realschullehrer (F. W. Hermann) Berndt, die treibende Kraft in der „Kolonne vom Roten Kreuz, Hilfe für deutsche Kriegsgefangene, Ortsausschuß Bergedorf“ unentgeltlich anbot: insgesamt sechs Kurse wurden allein 1916 durchgeführt (siehe BZ vom 30. Dezember 1916).
Die Schrift war aber nicht das einzige Problem beim Versand nach Russland: Pakete mussten in Stoff eingenäht werden, denn die Verwendung bedruckten Papiers war unzulässig, unbedrucktes war zu teuer: die Pakete wären „den Adressaten nicht ausgeliefert und diese obendrein noch bestraft“ worden, ebenso bei schriftlichen Mitteilungen darin (siehe BZ vom 13. November 1916). Dies erklärt auch die Anzeige der vom Bergedorfer
Frauenverein betriebenen „Kriegsschreibstube“, die beim Verpacken und Verschicken half: geeigneter alter Stoff war offenbar knapp und neuer unterlag dem Bezugsscheinsystem für Web-, Wirk- und Strickwaren.
Auch die Engländer hatten besondere Anforderungen: in Sütterlin geschriebene Briefe an in Afrika internierte Deutsche kamen mit dem Vermerk „Lateinische Schrift in deutschen Briefen“ zurück (siehe BZ vom 13. November 1916). Daraus wird den Damen der Kriegsschreibstube weitere Arbeit erwachsen sein, denn zu der Zeit war vor allem die Sütterlinschrift bzw. ihr Vorläufer, die deutsche Kurrentschrift, gebräuchlich und die Schreibunsicherheit wird bei lateinischen Buchstaben noch größer gewesen sein. Dem britischen Zensor kam es aber darauf an, die Briefe lesen zu können: vielleicht ließen sich daraus ja Erkenntnisse für die weitere Kriegführung schöpfen.
Das befürchteten auch die deutschen Behörden – sie werden die Warnung vor der Verwendung von Geheimschrift und unsichtbarer Tinte in Gefangenenbriefen veranlasst haben, die die Bergedorfer Zeitung druckte, wobei der Redakteur entweder Dinge durcheinanderbrachte oder den logischen Fehler aus der Vorlage übernahm: wenn der Feind zuweilen durch „listige Veranstaltungen“ zu Mitteilungen in Geheimschrift ermunterte, warum sollte er dann die Empfänger derselben bestrafen?
Gewarnt wurde auch vor dem Versand von Städte-Ansichtskarten ins Ausland und an Krieggefangene, da Bilder prominenter Bauwerke dem Feind „wichtiges Material bei geplanten Angriffen, besonders durch Flieger“ böten (siehe BZ vom 2. August 1916).