Hamburgs einziges Schloss steht in Bergedorf. Wie man sich vorstellen kann, hat es im Laufe seiner Geschichte verschiedene Besitzer und Nutzungen sowie bauliche Veränderungen gegeben. Grundlegend zur Geschichte ist „Das Bergedorfer Schloss“ von Victoria Overlack (Hg.)Victoria Overlack (Hg.), Das Bergedorfer Schloss. Een sloten Huß. Entstehung – Funktionen – Baugeschichte, Hamburg 2008, mit zahlreichen Abbildungen.
Mehrfach wurde die Wasserburg erobert bzw. besetzt, wobei die Eroberung durch Hamburg und Lübeck im Juli 1420 herausragt, denn sie führte dazu, dass Bergedorf (und die an der Elbe gelegene Riepenburg) mit den zugehörigen Gebieten bis Ende 1867 unter „beiderstädtische“ Herrschaft geriet und das Schloss vom Adels- zum republikanischen Verwaltungssitz wurde – siehe hierzu u.a. Johann Friedrich Voigts Aufsätze „Bergedorf und Ripenburg mit Zubehör unter der Herrschaft der Städte Lübeck und Hamburg“ und „Die Bergedorfische Stadtverwaltung in den Jahren 1800–1811“ aus Beiträge zur Geschichte des ehemals Lübeck-Hamburgischen Amts und Städtchens Bergedorf, S. 23–28 und S. 121–126) sowie: Victoria Overlack, Vom „verschlossenen Haus“ zum öffentlichen Ort, in: Victoria Overlack (Hg.), Das Bergedorfer Schloss, S. 41–93. Die Darstellung hier beschränkt sich auf die Phase des späten 19. Jahrhunderts.
Bis 1875 wohnte außer dem „Castellan“ noch der „Amtsverwalter“ im Schloss: der letzte „beiderstädtische“ Amtsverwalter Daniel Theodor Kaufmann, der von 1868 bis Ende 1874 im Auftrag Hamburgs weiter amtierte (Vgl. Bergedorfer Personen-LexikonOlaf Matthes / Bardo Metzger (Hg.), Bergedorfer Personen-Lexikon, Hamburg 2003, S. 106–107), bis die neuen Verwaltungsstrukturen ihre Form im „Gesetz betreffend die Einführung Hamburgischer Organisationen und Gesetze in Amt und Städtchen Bergedorf“ vom 30. Dezember 1872 gefunden hatten (aus: Bergedorfer Grundeigentümerverein von 1895Bergedorfer Grundeigentümerverein von 1895 (Hg.), Gesetze und Verordnungen für die Stadt Bergedorf, Bergedorf 1904, S. 17-27, hier: S. 18).
Der Landherr, ein Hamburger Senator, hatte sein „Bergedorfer Büro“ im Schloss, und sein Vertreter vor Ort war der Bergedorfer Bürgermeister, der dort ebenfalls sein Büro hatte. Seit der Trennung von Justiz und Exekutive (1855) war das Schloss auch Sitz des Amtsgerichts, das bis zu den Umbauten 1897-1899 das gesamte Obergeschoss des Südostflügels einnahm (Vgl. Olaf Matthes, Zur Baugeschichte des Bergedorfer Schlosses, in: Overlack (Hg.), a.a.O., S. 93–163, hier S. 133–134).
Die Raumnutzungspläne von 1877 und 1880 zeigen (abgedruckt in: Overlack (Hg.), a.a.O., S. 86–87), wie der Raumbedarf der immer noch winzigen Verwaltung zunahm: für 1880 sind (z.T. zu Lasten der Wohnung des Castellans) außer den schon genannten Nutzungen die Gemeindeverwaltung, der Gerichtsvollzieher sowie „Magazin & Lohnstube der Bau-Deputation“ verzeichnet.
Der Publikumsverkehr dürfte auch nicht gering gewesen sein, wie die folgenden Meldungen und Bekanntmachungen in den „Vierländer Nachrichten“ aus dem Jahre 1887 zeigen (beschreibende Texte werden angezeigt, wenn Sie mit der Maus darüber fahren. Auf Klick erfolgt die Anzeige der Ausschnitte in groß):
Kreiswehrersatzamt, Wahllokal, Sitz des Landherrn, des Bürgermeisters und des Amtsgerichts mit dem Gerichtsvollzieher, Sitzungsort der Gemeindevertretung, Fundbüro mit Tierheim, Finanzamt – das war schon multifunktional, auch nachdem die Polizei ihre Wache vor dem Schloss erhalten hatte und das Gefängnis vor das Walltor verlegt worden war. Möglich war dies nur, weil Hamburgs (und damit Bergedorfs) Verwaltungsstrukturen der Zeit hinterherhinkten (Vgl. Oliver Barghorn-SchmidtOliver Barghorn-Schmidt, Auf dem Wege zur modernen Kleinstadt: Bergedorf zwischen 1873 und 1914, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte Bd. 83.1997, 2, S. 133–174, hier S. 138, 156–166). Paul Walli, der letzte Bergedorfer Bürgermeister, der im Schloss seinen Amtssitz hatte, verdammte am Ende seiner Amtszeit (1919) in klaren Worten „das seit Jahrzehnten als lächerlich rückständig zu bezeichnende Niveau des hamburgischen Scheinselbstverwaltungsrechts“ und forderte eine völlig neue und professionalisierte Verwaltungsstruktur für ganz HamburgPaul F. Walli, Zur Frage der Verwaltung Groß-Hamburgs, in: Fred S. Baumann (Hg.), Großhamburgische Streitfragen Heft 1, Hamburg 1919, S. 36–48, hier S. 39.
Der heutige Hauptnutzer des Schlosses ist das Museum für Bergedorf und die Vierlande. Daneben hält das Café la note gastronomische Angebote bereit. Eine – wenn auch nur zeitweilige – Nutzung durch die Verwaltung besteht noch: alle vierzehn Tage finden hier (gegen Extragebühr) standesamtliche Trauungen statt.