„Ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß, wenn eines der Mitglieder der Wohnungskommission plötzlich nachts eine akute Mittelohrentzündung bekäme, daß ich anderen tags in Bgd eine Wohnung erhielte – ganz nach meinem Geschmack!“ So beschwerte sich Bergedorfs neuer HNO-Facharzt im Sprechsaal der BZ über das Wohnungsamt (BZ vom 17. April). Trotz einjähriger Bemühungen hatte er in Bergedorf weder eine eigene Wohnung erhalten noch eigene Praxisräume gefunden, seine Patienten behandelte er in der ihm stundenweise überlassenen Praxis eines anderen Arztes (ebd.).
Zwei seiner Patienten hatten zuvor den Sprechsaal genutzt, um sich zu beklagen und um das Wohnungsamt aufzufordern, dem neuen Arzt die benötigten Räumlichkeiten zuzuweisen: mit Wohnung in Bergedorf könne er seine Sprechzeiten ausweiten und damit die „im Wartezimmer geradezu unglaublichen Zustände“, dass viele Patienten wegen Überfüllung stehen müssten, beenden (BZ vom 12., 14. und 16. April).
Das Wohnungsamt zeigte sich, ebenfalls im Sprechsaal, ungerührt (siehe Ausschnitt links unterhalb): die Zustände seien unbekannt, und sollte es sie wirklich geben, sei das nicht zu ändern gewesen. Ein paar Tage später (siehe Ausschnitt rechts unterhalb) warf das Amt Nebelkerzen: man hatte beim Umzug des Finanzamts Bergedorfer „an anderer Stelle“, d.h. in Hamburg, unterbringen können; ihre bisherigen Wohnungen wurden vertragsgemäß auswärtigen Finanzbeamten zur Verfügung gestellt (siehe den Beitrag Das Finanzamt im Kurhaus), wodurch eben keine Linderung der Wohnungsnot eintrat.
Eine weitere Stellungnahme des Amtes folgte nach dem Sprechsaal-Artikel des Arztes, aus dem eingangs zitiert wurde, und in dem es u.a. auch hieß, dass er gern eine freigewordene Wohnung in der Ernst-Mantius-Straße übernommen hätte, doch diese sei an „ein alleinstehendes Ehepaar“ vergeben worden. Das wies das Amt zurück, doch ist die Darlegung eher verschwurbelt als verständlich: eine aus drei Personen bestehende Familie erhielt eine Wohnung und machte dadurch zwei Wohnungen frei, wodurch wiederum vier Wohnungen belegt werden konnten.
Nach einigen Monaten wendete sich dann doch alles zum Guten: im zweiten Obergeschoss eines Hauses in Bahnhofsnähe wurde am 1. August die Praxis (mit erweiterten Sprechzeiten) eröffnet, und spätestens ab Ende 1924 wohnte Dr. Böwing-Treuding in der Brauerstraße, wie sich aus dem Amtlichen Fernsprechbuch für den Bereich der Oberpostdirektion Hamburg 1925 ergibt.