Deutschvölkische Töne

Bergedorfer Zeitung, 1. April 1924

Für den unbedarften Leser klang diese Ankündigung eines „Deutschen Abends“ im Colosseum, Bergedorfs größtem Saal, wohl nicht besonders aufregend: ein Vortrag, eine Theateraufführung, musikalische Darbietungen.

 

Bergedorfer Zeitung, 1. April 1924

Schaut man allerdings genauer hin und auch auf die Anzeige auf der letzten Seite des Blattes, ergibt sich ein anderes Bild: die „Vaterländischen Verbände“ als Sammelbecken der antirepublikanischen Rechten hatten engste Verbindungen auch zu den Nationalsozialisten (siehe hierzu den Aufsatz von James M. Diehl und das Online-„Geschichtsbuch Hamburg“) – Hauptzweck der Organisation war sicher nicht die Unterhaltung eines Orchesters.

Die „Festleitung“ hatte J. Kaiser aus Curslack inne, der kurz zuvor die Aktivitäten des örtlichen Jung-Schlageter-Bundes gelenkt hatte, auch der Redner Herbert Volck (Näheres bei Wikipedia) war in Bergedorf kein Unbekannter: er hatte mehrere Veranstaltungen seines „Huttenbundes“ in Neuengamme und Allermöhe durchgeführt (BZ vom 6. und 18. Februar sowie 11. März). Der Berichterstatter der BZ kannte ihn nicht, als er sich in einer Wahlkampfveranstaltung der Bergedorfer „Bürgerliste“ zu Wort meldete (und schrieb seinen Namen falsch), entnahm seinem Wortbeitrag aber, dass er „anscheinend ein Anhänger der deutschvölkischen Richtung“ war. Anderen Gästen der Veranstaltung, laut BZ  Sozialdemokraten, war der frühere Freikorps-Offizier offenbar bekannt: sie empfingen ihn mit Geheul, unterbrachen ihn mit Zwischenrufen wie „Schinder! Blutsauger!“ und erzwangen letztlich den Abbruch der ganzen Veranstaltung (BZ vom 28.Februar). (Angemerkt sei, dass die BZ das Verhalten der SPD-Anhänger „als nackten Terror“ bezeichnete, die rechtsradikalen Worte Volcks aber nicht kommentierte.)

Volck tauchte zwar 1924 nach dem „Deutschen Abend“ in Bergedorf und Umgebung nicht wieder auf, aber seine Vorstellungen blieben – sie wurden dann von anderen propagiert. Über eine Veranstaltung mit Volck (in Blankenese) berichtete das Hamburger Echo am 13. April 1924.

 

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