Der Umbau der Reichsflagge und die Hansaschule

Bergedorfer Zeitung, 9. August 1922

Zur Verfassungsfeier sollten Bergedorf und Sande im Schmuck der schwarz-rot-goldenen Reichsfahnen erstrahlen, aber nicht jeder hatte so eine Fahne. Da kam der Hinweis in der BZ gerade recht: Aus Schwarz-weiß-rot mach Schwarz-rot-gelb! Das war mit etwas Stofffarbe, ein wenig Geschick und Nähgarn leicht zu bewerkstelligen: aus der alten Reichsflagge wurde so die neue, die in der Weimarer Verfassung festgelegt worden war, wenn auch mit „gelb“ statt mit „gold“.

Es sollte also niemand sagen können, er habe ja (leider) nur die Flagge des Kaiserreichs, die am 11. August, dem Jahrestag der Weimarer Verfassung, wirklich höchst unpassend gewesen wäre, als Provokation hätte verstanden und/oder gemeint sein können.

Bergedorfer Zeitung, 7. August 1922

Ob das Bergedorfer Postamt bereits über die neue Reichspostflagge verfügte, ist unbekannt. Jedenfalls musste Flagge gezeigt werden, schwarz-rot-gold mit Posthorn auf dem roten Streifen, und gegebenenfalls musste eben eine annähernd normgerechte „Behelfsfahne“ hergestellt werden.

Alle staatlichen Gebäude und auch die städtischen Gebäude in Bergedorf mussten in den Reichsfarben geschmückt werden – das galt natürlich ebenso für die Hansaschule, deren Schulhof das Ziel des Festzugs zur Verfassungsfeier war, und es dürfte das erste Mal gewesen sein, dass dort die neuen Farben gezeigt wurden, denn der Schulleiter Prof. Ohly war zwar wie alle Lehrer auf die Weimarer Verfassung vereidigt worden, aber er hing am Kaiserreich und dessen Farben. Das Zeigen der alten Schulflagge (schwarz-weiß-rot mit der Inschrift „Hansa-Schule“ auf dem weißen Streifen) war ihm im Vorjahr verboten worden, worauf er diese im „Gedächtniszimmer“ aufstellen ließ. Ohly hätte, so schilderte er es, nach der Ermordung Rathenaus die angeordnete Trauerbeflaggung gezeigt, wenn nicht (unglücklicherweise?) Wochen vorher das Seil des Flaggenmastes gerissen wäre … (siehe Ferdinand Ohly, S. 51 und 54)

Bergedorfer Zeitung, 29. Juli 1922

Nun aber gab es keine Ausrede mehr: vielleicht aufgrund dieses Vorkommnisses hatte die Oberschulbehörde dafür gesorgt, dass zum Verfassungstag alle Schulen vorschriftsmäßig beflaggt werden konnten, und die Teilnehmer am Festzug werden die schwarz-rot-goldene Flagge am Fahnenmast der Hansaschule mit besonderer Genugtuung betrachtet haben.

 

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