Huhn ist nicht gleich Huhn – das wussten auch die Geesthachter Geflügelzüchter, die sich in einem neu gegründeten Verein zusammengeschlossen hatten, um „das Verständnis für die Rassegeflügelzucht [zu] fördern“ sowie Bruteier und Futter zu beschaffen. (Gleichartige Vereine gab es schon lange in Bergedorf und den Vierlanden.)
Hühner sehen nicht nur unterschiedlich aus, sie erbringen dem Halter auch unterschiedliche Leistungen: manche Rassen legen mehr Eier als andere, manche werden vor allem wegen des Fleisches gehalten, und dann gibt es noch die Doppelnutzungsrassen, in denen gute Lege- und Mastleistung vereint sind.
Zu diesen Doppelnutzungsrassen zählt das Deutsche Reichshuhn, das 1921 in Geesthacht eingeführt werden sollte. Das sollte aber keine politische Demonstration sein: es trug zwar die Farben des Kaiserreichs (roter Kamm und Halsbehang sowie weiß-schwarzes Gefieder) und es war im späten 19. Jahrhundert gezielt als „Deutsches Nationalhuhn“ aus ausländischen Rassen herangezüchtet worden, wie auf einer Internetseite zur Hühnerhaltung zu lesen, doch den Ausschlag für die Haltung des Reichshuhns in Geesthacht dürften seine Leistungsmerkmale gegeben haben.
Ob unter den in Bergedorf ausgestellten 516 Vögeln Reichshühner vertreten waren, ist unbekannt; die BZ berichtete nur summarisch, dass 71 Ehrenpreise für Großgeflügel (also einschließlich Enten, Gänsen und Puten) sowie 39 für Tauben vergeben wurden (BZ vom 2. Dezember 1922). Über die etwas kleinere Ausstellung in Kirchwärder mit 454 befiederten Exemplaren war zu erfahren, dass die ausgezeichneten Hühnerhalter 23 Rassen präsentierten – Reichshühner waren nicht darunter.
Das Deutsche Reichshuhn gilt laut einer Datenbank der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zufolge heute als „stark gefährdet“, aber es hat das Reich überdauert. Ein Deutsches Bundeshuhn als quasi-Nachfolger ist nicht bekannt.