Die ausgebremste Motorisierung des Landgebiets

Der städtische Raum um Bergedorf und Sande war bei der Motorisierung schon ein gutes Stück vorangekommen, doch in den dörflich-ländlichen Gegenden trabte man (mit Pferden, also im wörtlichen Sinne) hinterher, wenn man von Pionieren wie August Wobbe absieht.

Bergedorfer Zeitung, 13. Mai 1921

Nun aber forderte die Gemeindevertretung von Kirchwärder die Freigabe der Deiche und der neugepflasterten Straßenzüge Süderquerweg und Kirchenheerweg (heutige Namen) für motorisierte Fahrzeuge. Die Initiative dazu war von dem Kohlenhändler Heitmann gekommen, der laut Hamburger Adressbuch Geschäft und Wohnung am Elbdeich hatte und vermutlich auf Lkw-Transporte umstellen wollte.

Bergedorfer Zeitung, 30. Mai 1921

Nicht alle Gemeinden wollten sich in gleichem Maße öffnen. Curslack gab immerhin eine Hauptverbindung nach Bergedorf frei, den Curslacker Neuen Deich, begrenzte aber das Tempo auf maximal 10 km/h. Die Regelung für die ebenfalls freigegebene „Rosenstraße“ (zwischen Schiefe Brücke und Curslacker Neuer Deich, heutiger Name Curslacker Deich) zeigt, wie schmal die Deiche damals waren: bei Begegnungen von Auto und Pferdefuhrwerk musste das Auto (rückwärtsfahrend) die Strecke räumen. (Wer heute schmale Deichstraßen erleben möchte, findet diese nach wie vor in Reitbrook.)

Bergedorfer Zeitung, 30. September 1921

Ochsenwärder konnte oder wollte sich noch nicht entscheiden. Diese Gemeinde war bis dahin sehr zurückhaltend gewesen und hatte nur zwei (widerrufliche) Gestattungen für motorisierte Zweiräder ausgesprochen – eine davon für den Distriktsarzt, wie aus dieser  Meldung zu ersehen.

Bergedorfer Zeitung, 20. Oktober 1921

Der Arzt war auch für Reitbrook zuständig, und sein „Gesuch“, sein Fahrrad mit Hilfsmotor auch in Reitbrook nutzen zu dürfen, genehmigten die dortigen Gemeindevertreter – allerdings beschränkt auf Fahrten zur „Ausübung seiner Praxis“.

Auch die Landherrenschaft als Genehmigungsbehörde blieb restriktiv:

Bergedorfer Zeitung, 15. Dezember 1921

Bergedorfer Zeitung, 16. Dezember 1921

 

 

 

 

Demnach musste eine Strecke explizit freigegeben werden. Auf allen Deichen, auch den gepflasterten, galt weiterhin ein Totalverbot für Kraftfahrzeuge aller Art, was auch den Ochsenwärder Arzt hätte zwingen müssen, auf Pedalkraft zu setzen und seinen Fahrradmotor bei Touren nach Reitbrook als unnützen Ballast mitzubewegen.

 

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