Ob Radfahrer oder Sänger, in der Freizeit vergnügte man sich unter seinesgleichen: für die einen gab es die Vereine des Bürgertums, für die anderen die Arbeitervereine, im Gesang wie auf dem Zweirad, beim Schwimmsport wie in anderen Sportarten.
Den Anzeigen und Berichten in der BZ nach (ausgewertet Januar bis Juni 1919 und Januar bis April 1921) gab es im Bereich der Landherrenschaft Bergedorf (ohne Geesthacht) neben dem Chor der Hasse-Gesellschaft, dem eine Sonderstellung einzuräumen ist, 33 Vereine mit dem Zweck des gemeinschaftlichen Singens, darunter acht, die eindeutig der Arbeiterschaft zuzurechnen waren wie z.B. der Arbeiter-Sängerchor. Ein ähnliches Bild bot der Radsport: von insgesamt dreizehn Vereinen zählten vier zur Arbeiterbewegung, z.B. in Bergedorf-Sande der „Arbeiter-Radfahrer-Verein Freie Brüder, Mitglied des Radfahrer-Bundes ‚Solidarität‘“.
Die bildungsbürgerliche Hasse-Gesellschaft mit ihrem herausragenden Chor hatte nach Kriegsende ihre Konzerte wieder aufgenommen, unterteilt in die regulären Abende und 1918/19 die „Volkskonzerte“ – letztere von der Stadt bezuschusst. Nicht einmal beim Vorverkauf der Karten begegneten sich Bürger und Arbeiter: die preisgünstigen Karten für die Volkskonzerte gab es in den Verkaufsstellen der Produktion und beim Zigarrenhändler Otto, einem Sozialdemokraten; für die anderen in der Buchhandlung von Köster & Wobbe sowie in der Papierwarenhandlung W. Meyer Wwe. (getrennte Anzeigen in der BZ vom 24. März 1919).
Was die Hasse-Gesellschaft für das Bürgertum, war auf der Gegenseite der Arbeiter-Sängerchor Bergedorf-Sande, der auch über ein Jugend-Streichorchester verfügte (BZ vom 11. Januar 1921) und über dessen Konzerte die BZ immer ausführlich berichtete. Die Karten waren (wenig überraschend) in der Volksblattbuchhandlung und in zwei Zigarrengeschäften zu erwerben, aber es kam auch zu einer bemerkenswerten Grenzüberschreitung: im Herbst konzertierte man in der Aula der Hansa-Schule (BZ vom 11. Oktober 1921), die nicht für ihre Nähe zur Arbeiterbewegung bekannt war.
Auch die Bürgerlichen bewegten sich ein wenig: die Hasse-Gesellschaft und die Fichte-Hochschule nahmen 1921 die Buchhandlung des Bergedorf-Sander Volksblatts als (Vor-)Verkaufsstellen hinzu, wobei die Hasse-Gesellschaft nur verschämt von „der Buchhandlung in ‚Stadt Lübeck‘“ sprach (BZ vom 10. und 28. September 1921) – gern gab sie die Grenzüberschreitung also nicht zu, aber wenn es denn den Kartenverkauf förderte …
„Vereine in Bergedorf“ ist auch der Titel einer Sonderausstellung des Museums im Bergedorfer Schloss, die aber aktuell (Stand 2. Mai 2021) wegen coronabedingter Schließung nicht besucht werden kann.