Tischlein deck dich!

Nur im Märchen Tischlein deck dich ging alles von allein: auf Zuruf deckte sich der Tisch mit dem erforderlichen Geschirr, Bestecken, Gläsern und legte die herrlichsten Speisen auf.

Bergedorfer Zeitung, 26. Januar 1921

In Ermangelung solcher Tische musste sich in Bergedorf die Hausfrau bzw. das Mädchen der Mühe des Tischdeckens unterziehen und die (in der Küche zubereiteten) Speisen servieren. Wie man dieses korrekt durchführen konnte, musste man lernen, und da kam der angebotene Kursus gerade recht, der im „Restaurant Graf“ stattfinden sollte – der Veranstaltungsort war allgemein bekannt als „Kulmbacher Bierhaus“, aber zu dem Namen hätte der Inhalt des Lehrgangs schlecht gepasst, denn es ging um Anspruchsvolles.

Bergedorfer Zeitung, 26. Januar 1921

Die Zielgruppe der Kursusleiterin bestand aus „jüngeren und älteren Damen und Mädchen“, aber auch „Bediente“ wurden genannt. Das Programm umfasste alle Arten häuslicher Geselligkeiten, die in (groß)bürgerlichen Haushalten vorkommen konnten, und da kam es eben darauf an, dass nicht nur Teller, Bestecke und Tassen bzw. Gläser richtig ausgewählt und platziert waren, von der richtigen Seite her „vorgelegt“ wurde, sondern dass auch kein gesellschaftlicher fauxpas zu gerümpften Nasen führte: die Titulatur, d.h. die Anrede, musste stimmen, also z.B. „Frau Direktor“ und „Frau Doktor“, wenn der Ehemann diesen Titel trug. Die „Toilette“, die in der Anzeige als Unterrichtsthema genannt wurde, meinte sicher die (festliche) Kleidung und nicht den Abort.

Mit dem Kurs wurden also die Grundlagen für eine Zusammenkunft ohne Peinlichkeiten jeglicher Art gelegt. Zum guten Gelingen gehört aber mehr, z.B. gehobene Küche und passende Weine und andere Getränke, doch derlei Kurse wurden in der BZ nicht angeboten …

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