Die freiwillige Selbstbesteuerung für die produktive Erwerbslosenfürsorge

Bergedorfer Zeitung, 13. Dezember 1920

Bergedorfer Zeitung, 15. Dezember 1920

 

 

 

 

 

In Bergedorf und Sande war die volle Erwerbslosigkeit weiter gestiegen, die Unterstützungssätze waren niedrig, die Preise schossen in die Höhe, und viele Langzeit-Arbeitslose erhielten gar keine Unterstützung mehr (siehe hierzu Benita Stalmann). Das reichsweite Programm der produktiven Erwerbslosenfürsorge sollte dem entgegenwirken, doch Geld aus Berlin gab es nur, wenn sich auch der Staat (Hamburg resp. Preußen) und die Gemeinden finanziell beteiligten – und an letzterem haperte es: schon im April hatte der Direktor des Arbeitsamts Hamburg in einer Sitzung der Bürgerschaft erklärt, dass Bergedorf seinen Anteil nicht aufbringen könne (BZ vom 11. April)

Bergedorfer Zeitung, 17. Dezember 1920 (Auszug aus dem Plan Wiesners und Krells)

In dieser Situation taten sich die beiden Gemeinden zusammen. Sie wollten eine „freiwillige Selbstbesteuerung“ des Einkommens einführen: Arbeitgeber, Arbeitnehmer und auch die übrige Bevölkerung sollten sich beteiligen. Nach den Vorstellungen des Bergedorfer Bürgermeisters sollten dann Arbeitslose Flächen an der Rothenhauschaussee und im Bruntschschen Park baureif machen, außerdem das Billeufer aufhöhen (siehe hierzu auch den Beitrag zum Schillerufer). Gemeindevorsteher Krell plante für Sande „eine Straßenverbindung …. nach der geplanten Siedlung Hinschendorf“ (BZ vom 17. Dezember).

Bergedorfer Zeitung, 18. Dezember 1920

In der Versammlung mit den Arbeitgebern stieß das Konzept auf Zustimmung. Einstimmig wurde eine Resolution beschlossen, dass die Anwesenden sich „eifrigst für die produktive Erwerbslosenfürsorge … sich betätigen wollen.“ “ (BZ vom 17. Dezember) Auch die am folgenden Abend durchgeführte Versammlung der Arbeitnehmer sprach sich dafür aus, aber nur mit Mehrheit, wobei die Kommunisten Seß und Boldt zu der Minderheit gehörten, die das Konzept ablehnte, da so „die Verbrüderung von Kapital und Arbeit eine immer innigere“ würde.

Die BZ hatte laut Schlussabsatz große Erwartungen an das Projekt: Sie erhoffte sich nicht nur eine Verbesserung der Lage der Arbeitslosen, sondern auch den „Wiederaufbau und Neuemporblühen unseres örtlichen Wirtschaftslebens“.

Bergedorfer Zeitung, 30. Dezember 1920

Aber nicht alle waren glücklich oder auch nur widerwillig einverstanden: bei einer Versammlung der städtischen Beamten und Angestellten gab es drei Gegenstimmen (BZ vom 16. Dezember). Die Lehrerschaft wollte sich gar nicht beteiligen: sie lag mit der Mehrheit von Magistrat und Bürgervertretung seit Monaten über Kreuz, weil den Bergedorfer Stadtschulen nicht dasselbe Maß an Selbstverwaltung wie den Schulen in Hamburg eingeräumt wurde – nun meinte sie ein Druckmittel zu haben. Und „wegen der großen Notlage der Beamtenschaft“ lehnten auch die Beamten von Post und Amtsgericht das Vorhaben rundweg ab.

Die „freiwillige Selbstbesteuerung“ sollte am 1. Januar 1921 beginnen. Das Thema wird also in diesem Blog eine Fortsetzung finden.

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