Ausführlich hatte die Bergedorfer Zeitung am 2. und 3. November über das Großfeuer in Zollenspieker berichtet (siehe die Ausschnitte am Ende dieses Beitrags), und sofort begann eine große Hilfsaktion in ganz Hamburg, denn der Schaden ging in die Millionen: Bürgermeister Diestel, Bürgerschaftspräsident Ross wie auch der Landherr Senator Stubbe riefen zu Sachspenden aller Art und Geldgaben auf; in der Landherrenschaft Bergedorf bildeten Bürgermeister Wiesner und die Gemeindevorsitzenden der Vierlande, Geesthachts, Preußisch-Kirchwärders und des Ost-Krauels einen „Hauptausschuss“, der ebenso wie die Bergedorfer Bank zu Spenden aufrief (BZ vom 5. November).
Sechzehn Häuser mit Stallungen und vier große Nebengebäude fielen dem Feuer zum Opfer, das am Zollenspieker Hafen ausgebrochen war. Auslöser waren Funken aus einem Schornstein, die ein nahes Reetdach erfassten. Der scharfe Ostwind trug Funken und brennende Reetbüschel zu weiteren Häusern, die dann ebenfalls in Brand gerieten. Das Ausmaß des Feuers ist auch daran zu erkennen, dass nicht nur die Feuerwehren von Kirchwärder, von Neuengamme und Curslack sowie vom Krauel im Einsatz waren, sondern auch die aus Bergedorf, aus Hamburg kamen mehrere Feuerwehrzüge und sogar ein Feuerlöschboot, doch wenn der Wind nicht in Richtung Elbe gedreht hätte, hätten sie wohl eine weitere Ausdehnung der Brände nicht verhindern können.
Menschen kamen zum Glück nicht zu Schaden, auch das Vieh konnte aus den Ställen herausgetrieben werden, aber in den meisten Fällen war alles, was sich sonst in den Häusern befand, vernichtet. Die Not war also groß; zwar fanden die obdachlos gewordenen Menschen bei Nachbarn oder Verwandten provisorische Unterbringung, doch hatten die meisten nur das Leben und die gerade getragene Kleidung gerettet. Die Hilfsaktion war also dringend nötig – und sie war erfolgreich: bereits am 23. November veröffentlichte die BZ das Gabenverzeichnis des Hamburger Aufrufs mit 80.148,21 Mark sowie (unspezifiziert) „Mobilien, Kleidungsstücke, Wäsche und dergl.“; der Appell der Bergedorfer Bank erbrachte 2.605 Mark (BZ vom 17. Dezember), aus dem „überelbischen“ Kreis Winsen kamen 43.361,75 Mark (BZ vom 20. Dezember) – eine Abrechnung wurde erst 1921 veröffentlicht, nach der 268.000 Mark zur Verteilung gelangten, darunter 11.000 Mark vom Lübecker Drägerwerk (BZ vom 14. Mai 1921). Für den Wiederaufbau der Häuser gab es Reichsdarlehen, zu denen die Gemeinde Kirchwärder 70.000 Mark als Kofinanzierung beisteuerte (BZ vom 17. Dezember).
Die erforderlichen Neubauten konnten die Betroffenen in aller Regel nur auf Kredit finanzieren: die meisten Feuerversicherungen waren auf „Friedenspreise“ ausgelegt, die nur etwa ein Zehntel der aktuellen Baukosten deckten (BZ vom 9. Oktober) – die Erfahrungen vom Zollenspieker dürften zumindest der Auslöser für eine Reform des Feuerkassengesetzes gewesen sein, die der Senat noch im selben Jahr in die Wege leitete, nach der künftig „der Grundsatz der vollen Entschädigung die alleinige Richtlinie“ bilden sollte (BZ vom 6. Dezember), d.h. dass zu den „Friedenspreisen“ von 1914 ein Zuschlag für gestiegene Baupreise addiert wurde und so im Schadensfall ein gleichwertiger Neubau errichtet werden konnte.
Ob das Vorhandensein von Feuerlöschern in den Häusern gegen ein brennendes Reetdach viel geholfen hätte, kann man bezweifeln – aber es dauerte nicht lange, bis ein auch heute noch aktiver Hersteller solcher Geräte „Löschvorführungen“ in den Vierlanden anbot (BZ vom 6. und auch 16. November).
Die traditionellen Löschgeräte jedenfalls, über die jedes Haus verfügen musste, hatten offenbar wenig bis nichts bewirkt – dennoch wurde von der Gemeinde Kirchwärder eine entsprechende „Revision“ durchgeführt. (Unter den in der Bekanntmachung genannten „Dachstühlen“ sind kurze Leitern, die auf das Reetdach gelegt und mittels eines Dorns darin eingehängt werden konnten, zu verstehen. Die Löscheimer waren aus Leder.)
Am Einsatz der örtlichen Feuerwehren bei diesem Brand hatte es offenbar laut Kritik gegeben – diesen Anzeigen nach unberechtigt. An der Gemeinde hingegen wurde in der BZ keine Kritik geübt, obwohl sie diese verdient gehabt hätte: sie beschloss erst jetzt, eine Überfahrt über den Elbdeich zu schaffen, um „bei ähnlichen Fällen die Heranschaffung von Spritzen an die Elbe zu ermöglichen“ (BZ vom 10. November).
Erst muss ja das Kind in den Brunnen fallen, vorher kommt kein Deckel drauf …