Im Prinzip begrüßenswert: das Arbeitsamt Bergedorf-Sande bot Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung an – die Einrichtung zeigte allerdings eine bemerkenswerte Schieflage, die wohl die gesellschaftliche und wirtschaftliche Realität von 1920 widerspiegelt: die „männliche Abteilung“ bot für ihre Klienten nach Berufen differenziert vier Termine à zwei Stunden an, für die Klientinnen der „weiblichen Abteilung“ gab es nur (ohne Differenzierung) die Hälfte der Zeit und der Termine.
Das Amt rechnete offenbar nicht mit allzu großem Andrang von Eltern mit Töchtern, was als Indiz dafür gelten kann, dass nur relativ wenige Mädchen eine Ausbildung machten; ein Teil wird Beschäftigung als anzulernende Arbeiterin oder Verkäuferin gesucht haben, ein nennenswerter weiterer Teil wird „in Stellung“ gegangen sein, d.h. als Dienstmädchen in einem bürgerlichen oder bäuerlichen Haushalt eine Anstellung gesucht haben. Die rechtliche Lage der Dienstmädchen hatte sich zwar gegenüber 1918 etwas gebessert (siehe den Beitrag Fortschritt 1919: Vom „Dienstmädchen“ zur „Hausangestellten“), doch waren diese Tätigkeiten eher alternativlos als beliebt, woran idealisierende Darstellungen wie die des Bergedorfer Hausfrauenvereins, es handle sich um ein „sehr dankbares Feld der Betätigung“ (BZ vom 21. Januar) nichts geändert haben werden.
Im September gab es immer wieder entsprechende Stellengesuche von Mädchen, es existierte offenbar auch eine private Stellenvermittlerin für „Köchinnen, Land- und Kleinmädchen“ (BZ vom 16. September). Ebenso wurden solche Stellen angeboten, teilweise mit dem Zusatz „mindestens 18 Jahre“ (BZ vom 1. und 13. September), damit man die „Hausfrauenhilfe“ nicht für die Fortbildungsschule freistellen musste.
Zwar waren gelegentlich Stellengesuche zu finden, bei denen nicht der Haushalt im Vordergrund stand, sondern das Erlernen der Schneiderei (BZ vom 1. und 2. September), doch wird es sich hierbei nicht um eine Lehrstelle im engeren Sinne gehandelt haben. Ein einziges Mal im September gab es eine Anzeige eines „jungen Mädchens mit guter Handschrift“, das „Stellung im Geschäft oder Kontor“ suchte (BZ vom 21. September) und damit aus dem Rahmen fiel.
So genügte der „Berufsberatung und Stellenvermittlung“ für die weibliche Jugend eine undifferenzierte Sammelabfertigung, während die Jungen berufsspezifische Beratungszeiten erhielten. Schieflage eben.