Der Nachruf der BZ auf den Dichter Richard Dehmel war knapp und außerordentlich schmucklos – dennoch: dass die Zeitung ihn überhaupt druckte, noch dazu im „Tagesbericht“, der üblicherweise lokalen und allgemein-interessierenden Themen vorbehalten war, ist bemerkenswert, denn Dehmel hatte in Blankenese gelebt – zum sonstigen Umgang der BZ mit Nachrufen unten mehr.
Dehmel war ein für die Jahrzehnte um die Jahrhundertwende 1900 bedeutender Literat: „Der Neuansatz der deutschen Lyrik zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist in hohem Maße ihm zu verdanken“, wie es in der Deutschen Biographie heißt. Auch das Beileidstelegramm des Reichskanzlers an Ida Dehmel zeigt, welchen Stellenwert er besaß, und ungewöhnlicherweise gab es sogar Kurzmeldungen zu den Trauerfeierlichkeiten in der BZ:
Die Ausstellung „Zwei Menschen, Richard und Ida Dehmel in Hamburg“ im Ausstellungsraum der Staats- und Universitätsbibliothek zum 100. Todestag des Dichters und 150. Geburtstag seiner Frau (bis 22. März 2020, täglich geöffnet, Eintritt frei) gibt einen sorgfältig kuratierten Einblick in das von ihnen errichtete „Gesamtkunstwerk“ – der fein gewählte Ausstellungstitel „Zwei Menschen“ weist nicht nur auf die beiden Persönlichkeiten, sondern ebenso auf den gleichlautenden Titel von Dehmels erstem Roman, für den der Autor auch die Einbandgestaltung übernahm. Wie sorgsam und präzise Dehmel auch dabei zu Werke ging, ist anhand seiner eigenen Entwürfe nachvollziehbar, die die Stabi aus ihrem „Dehmel-Archiv“ mit dem Nachlass des Dichters nun präsentiert.
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Im Februar 1920 veröffentlichte die BZ ansonsten nur Nachrufe von lokaler Bedeutung: auf Wilhelm Oldhaver, über 40 Jahre Lehrer an der Stadtschule, der das Schauspiel „Dietrich Schreyge“ verfasst hatte (BZ vom 2. Februar), den Rektor und Vikar Stephan Tegeler von der katholischen Waisenhausschule in Bergedorf (BZ vom 3. Februar), den Hufner Tiete Hars aus Kirchwärder, langjähriges Gemeinde- und Kirchenvorstandsmitglied (BZ vom 3. Februar), Dr. Johann Friedrich Voigt, Verfasser von Büchern über die Geschichte Bergedorfs und des Landgebiets sowie langjähriger Rat bei den Landherrenschaften (BZ vom 13. Februar) und schließlich auf den Gastwirt Heinrich Pahlen aus Sande, der die örtliche Feuerwehr, den Bürgerverein, die Liedertafel „Hoffnung“ sowie den Krieger- und Kampfgenossenverein Sande mitgegründet hatte (BZ vom 26. Februar 1920).
Sie gab den Nachrufen auf Oldhaver, Voigt und Pahlen deutlich mehr Raum als dem auf Dehmel. Sie war eben eine Lokalzeitung.