Vor dem Krieg hatte nur ein Drittel der Volksschüler ohne Sitzenbleiben die Schule absolviert, bei Fürsorgezöglingen waren es sogar nur sechs Prozent – dem wollte der erfahrene Hamburger Lehrer August E. Krohn mit seinem Konzept der Heimschule begegnen: er wollte „den Sitzenbleibern Anerkennung ihrer Tüchtigkeit durch rohe, praktische Arbeit in einem ‚ländlichen Wirtschaftsbetrieb‘ vermitteln, in dem … diese Sitzengebliebenen durchaus – wenn auch als kleine Arbeiter – also ernsthaft und gewollt nach Maßgabe ihrer Kräfte und Fähigkeiten mittätig sein sollen, womöglich aufbauend. Die Erfahrung hat schon immer gezeigt, daß auch Sitzengebliebene es im Leben zu etwas bringen können. … Also Schulstube, Schultische, Schulbuch, Schularbeit, Schulfach, Lehrplan, Stundenplan, das alles gibt es in der Heimschule nicht, nur Arbeit, nichts als Arbeit. Damit ist dann die Heimschule ganz ohne Schule und nichts als Wirtschaft, und die Sitzengebliebenen stehen plötzlich mitten in dem emsigen Schaffen eines lebenswahren Wirtschaftsbetriebes“ (August E. Krohn, Meine Heimschule, S. 26 – 30).
Den Versuch war es wert, befanden der Bergedorfer Lehrerverein (BZ vom 19. Februar) sowie Magistrat und Bürgervertretung (BZ vom 1. März): am 1. April wurde die Heimschule im Bergedorfer Versorgungsheim an der Rothenhauschaussee eröffnet; auch die ehemalige Blohmsche Ziegelei (vormals Biehlsche Ziegelei, siehe Martin Pries, Die Ziegeleien im Raum Bergedorf, S. 24-27) gehörte zum Gelände der Heimschule (BZ vom 3. April).
Der schnell ausgebrochene Kompetenzstreit mit dem städtischen Verwalter des Heims führte dazu, dass Krohn und die vier anderen Lehrer sich mit den Kindern an die Grundsanierung der verfallenen „Zieglerkaserne“ auf der anderen Straßenseite machten, was ja durchaus im Sinn des pädagogischen Konzepts war, und noch 1919 erfolgte der Umzug, wohl zur Zufriedenheit aller Beteiligten.
Doch das nächste Problem ließ nicht lange auf sich warten, wie Krohn schrieb (ebd., S. 47ff.): die Stadt Bergedorf wollte sich die getätigten Ausgaben vom Staat zurückerstatten lassen, was der Senat aber verweigerte. Erst nachdem Krohn mit geliehenen 30.000 Mark die Bergedorfer Forderung erfüllt hatte, gab es einen neuen Pachtvertrag, allerdings nur für das Blohmsche Gelände – das Versorgungsheim ging wieder an die Stadt.
Von Dauer war auch die neue Konstruktion nicht: nach weiteren drei Jahren kam das endgültige Aus für die Heimschule am Standort Bergedorf – die Liebe der Stadtväter zu dem pädagogischen Experiment war längst erloschen, was auch an Krohn und seinem Umgang mit den Behörden gelegen haben mag.