„Das Ochsenwärder Feld bildet seit Wochen wieder einen See mit zahlreichen Inseln und Halbinseln“, hieß es am 28. Januar 1918 in der Bergedorfer Zeitung: das vierte Jahr hintereinander litten vor allem Ochsenwärder und Kirchwärder unter hohen (Binnen-)Wasserständen und wünschten sich eine Dampfentwässerung wie in dem Gebiet zwischen Dove-Elbe und unterer Bille.
Da überrascht es schon, dass ein Dresdner Hersteller in der Bergedorfer Zeitung für seine Stahlwindturbinen zur Wasserförderung warb, und noch überraschender scheint zunächst, dass er 1917 vier seiner Anlagen in den Kirchwärder Ortsteil Warwisch hatte verkaufen können. Die Erklärung ist aber einfach: auch in der Marsch, die ja platt und eben aussieht, gibt es Höhenunterschiede, und Wasser bewegt sich immer auf den tiefstgelegenen Punkt zu, sodass der eine sich fragt, wie er das Wasser aus dem Land bekommt, während der andere dieses dringend benötigt, um „Missernten in Obst- und Gemüsegärten infolge Trockenheit“ zu verhindern, wie es in der Anzeige hieß. In den (relativ) hochgelegenen Teilen von Warwisch stieß das Angebot denn auch auf Resonanz bei zahlungskräftigen Gartenbaubetrieben.
Die Anlagen bewährten sich offenbar, denn noch in den 1950er Jahren standen drei von ihnen: eine war von Peter Holster (jun.) in Auftrag gegeben worden, wie Klaus Zeyns und der Holster-Nachfahre Heinz Holster zuverlässig berichten – Peter Holster (sen.) hatte im 19. Jahrhundert den Rhabarber nach Vierlanden gebracht, der den Gärtnern gute Erträge und Einnahmen verschaffte (siehe Torkild Hinrichsen (S. 46ff.) und den Beitrag Kein Zucker für Rhabarber).
Ein sehr ähnlich aussehendes Windrad befindet sich einhundert Jahre später in einem anderen Teil Kirchwerders westlich des sogenannten Gleisdreiecks der Bahndämme der Vierländer Bahn und der Marschbahn, und auch dieses dient der Bewässerung – aber nicht wie in Warwisch zur landwirtschaftlichen Ertragssteigerung, sondern zur Vernässung der Flächen am Ostrand des Naturschutzgebiets Kirchwerder Wiesen. Die auf dem Foto im Hintergrund zu sehenden Windkraftanlagen befinden sich jenseits der Elbe auf niedersächsischem Gebiet, aber auch in den Vierlanden und den Marschlanden stehen solche Anlagen zur Stromerzeugung, die die historischen (Korn-)Windmühlen auf der Riepenburg, in Reitbrook und Altengamme und die Kirchtürme der Region zwergenhaft erscheinen lassen, von den historischen Feldentwässerungs-Windmühlen ganz zu schweigen: letztere prägten lange Jahre durch ihre schiere Zahl in manchen Bereichen (an der Gose-Elbe und der unteren Bille) das Landschaftsbild, wie eine Karte von ca. 1890 auf der Internetseite des Förderkreises Rettet die Elbe und ein Foto auf Simone Vollstädts Internetseite zeigen. Die letzte dieser Mühlen wurde von Ochsenwärder zum Freilichtmuseum Rieckhaus transloziert.