Am Himmelfahrtstag wie auch zu Pfingsten machten (und machen) viele Hamburger üblicherweise Ausflüge in die schöne Umgebung, siehe die Beiträge To Pingsten, ach wie scheun und Himmelfahrt ohne Schinken und Schnaps. 1917 waren es wohl weniger Menschen, die sich bei passablem Wetter daran beteiligten, die Baumblüte betrachteten, mit musikalischer Begleitung wanderten oder z.B. die Militärkonzerte in Bahlmanns Gasthaus (Zollenspieker) besuchten, dort Kaffee und Kuchen genossen oder zu Mittag bzw. Abend speisten (siehe die Anzeige in der BZ vom 12. Mai 1917). „Nicht wenige“ wollten aber anderes: sie wollten „hamstern“, d.h. direkt bei den Bauern und Gärtnern Nahrungsmittel erwerben, und dabei hing der Kauf nicht von Lebensmittelmarken ab, sondern nur vom Portemonnaie: die Preise dürften beträchtlich über den administrativ verordneten Höchstpreisen gelegen haben (siehe dazu auch den Beitrag Kreativer Umgang mit Höchstpreisen). Solche Geschäfte waren allerdings verboten, und Käufern wie Verkäufern drohten Strafen.
Hamsterfahrten gab es aber nicht nur an diesem Tag – zu Wochenbeginn hatte die BZ über einen Vorfall auf dem westmecklenburgischen Bahnhof Hagenow berichtet: die auf den Zug nach Hamburg wartenden Personen mussten ihre „gefüllten Körbe und Säcke“ der plötzlich erschienenen Polizei präsentieren, und wer keine „Ausfuhrerlaubnis“ vorweisen konnte, musste sich von „Kartoffeln, Eiern, Speck, Butter und anderen immer seltener werdenden Kostbarkeiten“ trennen, zwecks Bestrafung seine Personalien angeben und mit ebenso leeren Behältnissen die Rückfahrt antreten wie er gekommen war. Die Frustration der Betroffenen muss groß gewesen sein, und man fühlte sich ungerecht behandelt, weil man ja nur für den Eigenbedarf gekauft hatte – sonst hätte man ja die Waren bei einem der Händler, die „zu Wucherpreisen“ weiterverkauften, erwerben müssen: die Händler hätten die Strafen verdient, nicht die Selbstversorger, die den Wucherern ein Schnippchen schlugen!
Man kann dieses gespaltene Unrechtsbewusstsein durchaus nachvollziehen, aber man sollte dabei nicht übersehen, dass vielen Menschen für solche Hamsterfahrten das Geld fehlte und diese unter dem „Schleichhandel“, dem Schwarzmarkt, besonders litten, weil er die offiziellen Rationen weiter verknappte.
Ob die bevorzugte Behandlung der Soldaten auf dem Hagenower Bahnsteig, die „als Hamsterer in Feldgrau“ unbehelligt blieben, bei den Zivilisten zu lauten Protesten führte, schrieb die Zeitung nicht – aber allein die Charakterisierung als „Hamsterer in Feldgrau“ war kritischer als die BZ sich (oder die Zensur ihr) sonst erlaubte.