Zwar hatte sich die Zahl der Ausleihungen aus der Sander Volksbibliothek 1916 mehr als verdoppelt, aber die Einwohner Sandes scheinen deutlich weniger lesefreudig gewesen zu sein als die Bergedorfer: 4.730 Bücher wurden in Sande kostenfrei ausgegeben (und hoffentlich auch zurückgebracht) – bei etwa 7.000 Einwohnern also 0,67 Bücher pro Kopf. In Bergedorf hatte es im Jahr zuvor 42.560 entgeltpflichtige Entleihungen gegeben, bei gut 15.000 Einwohnern also 2,78 Bücher pro Kopf (siehe den Beitrag Die Bücherhalle: Bergedorf liest). Vermutlich ist diese Differenz auf die unterschiedlichen Sozialstrukturen zurückzuführen.
Von den im Zeitungsbericht aufgeführten Autoren sind manche heute nahezu vergessen – Anfang 1917 konnte man aufgrund ihres Bekanntheitsgrads auf die Nennung der Vornamen verzichten, und auch wenn (Walter) Bloem im Artikel falsch geschrieben ist, dürften literarisch Interessierte damals gewusst haben, wer gemeint war. Die beliebtesten Autoren in Sande waren neben Bloem also (Ludwig) Ganghofer, (Rudolf) Herzog, (Jakob Christoph) Heer, (Felix) Dahn, (Gustav) Freytag, (Peter) Rosegger und (Theodor) Storm. Werke all dieser Autoren findet man in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg – in Marcel Reich-Ranickis Literaturkanon hat es allerdings nur Storm geschafft.
Die Gewerkschaftsbewegung hatte übrigens ihre eigenen Bibliotheken: 1916 wurden in Geesthacht 2.151 Bücher ausgeliehen, in Bergedorf/Sande 2.920. Für Geesthacht wurde die Mitgliederzahl mit 631 angegeben (siehe BZ vom 21. März und 7. April 1917), d.h. dass 3,41 Bücher pro Kopf ausgeliehen wurden, wenn die Ausleihe nur an Gewerkschaftsmitglieder erfolgte, die damit den Spitzenplatz unter den Bücherfreunden einnahmen.