Erst Freude, dann Trauer bei Bergedorfs Guttemplern

Bergedorfer Zeitung, 27. September 1916

Bergedorfer Zeitung, 27. September 1916

Guttemplerhaus in Bergedorf (2016)

Guttemplerhaus in Bergedorf (2016)

Die Freude dürfte groß gewesen sein bei Bergedorfs Guttemplern: spätestens seit 1911 waren sie in Bergedorf in der Bleichertwiete 29 ansässig, und zwar im Hinterhaus (siehe Hamburger Adressbuch 1911). Nun konnte der Einzug in einen sehr ansehnlichen Neubau in der Bergstraße 16 erfolgen, wo die Organisation auch einhundert Jahre später noch zu finden ist, wie die 2016 aufgenommene Fotografie zeigt. Der Straßenname hat sich allerdings geändert: die heutige Anschrift ist August-Bebel-Straße 24.

Die Festredner äußerten sich, was nicht überraschen kann, im Sinne der Vereinsziele – ob dabei der Vertreter des Großlogenrats wirklich von „Alkoholgenuß“ sprach oder ob dies nicht eher die Wortwahl des Berichterstatters war, kann hier nicht geklärt werden. Dass Alkoholkonsum Probleme verursachen kann, war ja sogar den Behörden aufgefallen: sie hatten schon 1915 Bergedorf trockengelegt. Und Ende 1915 gab es offizielle Appelle, den Alkoholversand ins Feld zu unterlassen, da zu viel Alkohol die Kriegstüchtigkeit der Soldaten beeinträchtige (siehe BZ vom 16. Dezember 1915). Als Schritt in die richtige Richtung werden die Guttempler auch die Ankündigung der Reichsbranntweinstelle bewertet haben, dass es bis zum Frühjahr 1917 keine Freigabe von Alkohol für Trinkbranntweinzwecke geben werde (siehe BZ vom 10. Oktober 1916).

Bergedorfer Zeitung, 18. Oktober 1916

Bergedorfer Zeitung, 18. Oktober 1916

Trauer bei den Guttemplern wird drei Wochen nach Bezug des neuen Logenhauses die Nachricht ausgelöst haben, dass ihr Mitglied Otto Kampe in Wolhynien gefallen war – der Nachruf zeigt Kampe als Abstinenzler und Anhänger der Lebensreformbestrebungen des Deutschen Vortruppbundes sowie als engagierten und reformerischen Lehrer an einer Hamburger Hilfsschule, der sich u.a. für die Arbeitsschule einsetzte. Sein Buch über „Hamborger Jungs un Deerns“ mit vielen kleinen Geschichten und Gedichten auf hoch- wie plattdeutsch ist in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg vorhanden, und das Stück „Es schneit“ zeigt einen Schulmeister, der wenig wilhelminisch, aber um so menschlicher wirkt. Seine Texte könnten aus alltäglichen Erlebnissen entstanden sein, die seine Schülerinnen und Schüler ihm in schlichter Sprache geschildert hatten – vielleicht hatte er sie aber auch für genau diese verfasst, denn der Untertitel des Buches lautet: „Lustige Geschichten für Heini und Hans und Theo und Paul und Trude und Suse und noch mehr“.

 

 

Autor des mit „W.L.“ gezeichneten Nachrufs war wahrscheinlich Wilhelm Leonhardt, ebenfalls Lehrer und wie Kampe Mitglied des Liberalen Vereins (siehe Bergedorfer Personenlexikon).

 

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