„Trotz des herrschenden Weltkrieges“ habe die Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn (BGE) im Geschäftsjahr 1. April 1915 bis 31. März 1916 „abermals eine sehr erfreuliche Entwicklung gezeigt“, schrieb der BGE-Vorstand laut Bergedorfer Zeitung im Geschäftsbericht. Dem ist zu widersprechen: gerade wegen des Krieges war die Entwicklung so positiv, dass die Dividende auf 10% erhöht werden konnte und verschiedene Rücklagen aufgestockt wurden: der Reingewinn betrug 368.199,67 Mark – bei einer Bilanzsumme von 4,4 Millionen Mark wahrlich kein schlechter Wert.
Das gute Ergebnis war fast ausschließlich auf der „Stammstrecke“ Bergedorf – Geesthacht erwirtschaftet worden, die Einnahmen auf der Vierländer Bahn lagen trotz Steigerung noch unter dem Vorkriegsniveau. Richtung Geesthacht gab es bedeutende Zuwächse im Güter- wie im Personenverkehr, wie schon in den Beiträgen Geesthachts Lebensnerv: Die Pulverfabrik Düneberg und Die Arbeiterzüge der Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn herausgearbeitet wurde: ohne den Krieg wäre auch auf dieser Strecke der Verkehr wohl eher beschaulich geblieben.
Ausgesprochen harmlos klingt der Hinweis auf den „Bau eines Anschlussgleises nach einem Fabrikgelände“, denn die BGE hatte hiervon bereits mehrere, z.B. zu den Industriebetrieben am Schleusengraben in Bergedorf, zur Blohmschen Ziegelei (siehe den Beitrag Städtische Schweine in der alten Ziegelei), zu den Geesthachter Hartsteinwerken und zur Pulverfabrik Düneberg, wie Jürgen Opravil (S. 32f.) schreibt. Allerdings war dies nicht irgendein kurzes Stückchen Bahn: die Streckenlänge betrug immerhin knapp vier Kilometer. Wahrscheinlich durfte jedoch die Strecke nicht näher bezeichnet und der Name der Fabrik nicht genannt werden, denn die Gleise führten zu den Dynamitwerken Krümmel. Anfang 1915 hatte die BZ noch im Klartext über die Logistik von Pulverfabrik und Dynamitwerken berichtet (siehe den Beitrag Boomtown Geesthacht?) – nun wollte man dem Feind, falls er denn die Bergedorfer Zeitung las, nichts verraten. Die Einheimischen dürften sowieso Bescheid gewusst haben.
Übrigens durfte nicht jeder die ab Oktober 1916 verkehrenden Personenzüge auf dieser Strecke nutzen, sondern nur die Fabrikmitarbeiter und die Einwohner des Krümmel (vgl. Olaf Krüger, S. 116 f.). Es war eben keine „normale“ Bahn, die das Dynamitwerk bauen ließ und die es bezahlte. Es war zudem eine Bahn, bei deren Bau vor allem russische Kriegsgefangene eingesetzt wurden – Fotos dazu finden sich ebenfalls bei Olaf Krüger (S. 118).
Zunächst lukrativ war für die BGE auch der Verkauf der (1912 erworbenen) Besenhorster Sandberge an die Pulverfabrik, die so ihr Betriebsgelände erheblich erweitern konnte (vgl. Olaf Krüger, S. 96f.), aber da der größte Teil des Verkaufserlöses in die Kriegsanleihe floss, war das Geld nach Kriegsende schlicht futsch.
Die im Artikel genannten „Vorarbeiten für die Marschbahnen“ ruhten – sie wurden nach Kriegsende als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wieder aufgenommen. Eine erste Teilstrecke wurde dann 1921 in Betrieb genommen (Fünfhausen – Geesthacht), der Endausbau war am 1. Oktober 1928 vollzogen. Die eingleisige Strecke führte von Billwärder-Moorfleet durch die südlichen Marschlande nach Zollenspieker und von dort weiter über Neuengamme und Curslack nach Geesthacht. Wirtschaftlich war diese Bahn ein Misserfolg, sodass sie Anfang der 1950er Jahre stillgelegt und abgebaut wurde (vgl. Jürgen Opravil, S. 94). Heute freuen sich vor allem Radfahrer und Reiter darüber, denn die alten Bahndämme (auch der Vierländer Bahn) wurden zu Rad- und Reitwegen, für die im Internet auf der EU-geförderten Site http://www.entdeckerrouten.org/category/routen/vier-und-marsch/ und vom Bezirksamt Bergedorf unter http://www.bergedorf.de/raderlebnis.html geworben wird.