Man könnte vom großen Hundestreit zu Bergedorf sprechen, der schon im Vorjahr seinen Niederschlag in der Bergedorfer Zeitung gefunden hatte. 1916 nahm dann die Schärfe der Auseinandersetzung zu.
„Uns wird geschrieben:“ – So leitete die BZ diesen Artikel in den Lokalspalten ein, statt ihn in die Rubrik Sprechsaal, wie damals Leserbriefe genannt wurden, zu stecken, und der ungenannt bleibende Verfasser griff hier in seiner Kritik am herrschenden „Hundekultus“ zu starken Worten: überflüssige Hunde wären „schädliche Mitesser und Verursacher mancher Belästigungen“ – er setzte darauf, „daß der Krieg auch hier wohltätig wirkt“ (was natürlich zu der Frage führt, welche anderen wohltätigen Wirkungen des Krieges ihm vorschwebten). Sein Vorschlag, die Luxus- und Renommierhunde zu Schweinefutter und auch Fell und Haare zu verarbeiten, war schon radikal.
Dies wiederum ließ die Hundefreunde in Bergedorf nicht ruhen – hier die Antwort der Besitzerin eines Pudels, die ihren Tello nicht mit „menschlicher Nahrung“ fütterte, sondern nur mit Kartoffeln (die sie bei genauem Lesen doch essen würde, wenn da nicht der Hund wäre), eingeweichtem Hühnerfutter (dessen Beschaffung in Sande die Gemeinde übernahm, siehe BZ vom 1. April 1916) und den nicht reichlichen Knochen des Mittagstisches. Ihrer Ansicht nach war Bergedorf damals nicht „am Rande einer Hungersnot“ (was andere Bergedorfer mit chronisch knurrenden Mägen anders empfanden).
Von beiden Seiten wurde verbal also mit schwerem Kaliber geschossen, dem jeweiligen Andersdenkenden ein schlechter Dienst am Vaterland attestiert, und es ging hin und her: weitere Sprechsaal-Beiträge zum Thema druckte die BZ am 21. und 23. März, am 26. April, am 15. Mai – da fragt man sich, ob es ein Bergedorfer Schäferhund war, der nach Preußen ent- und der Gemeinde Sande zulief, weil er sich nicht mehr sicher fühlte. Amtsvorsteher (Gustav) Maik war das egal, er wollte den Hund einfach zugunsten der Amtskasse verkaufen, was angesichts der damaligen Finanzlage verständlich ist:
Angesichts der geschilderten Bergedorfer Debatten stimmt eine andere Zeitungsannonce, die am 8. August 1916 in der BZ erschien, misstrauisch: ein nicht namentlich genannter Inserent kündigte für den folgenden Tag beim Gasthof Zur Sonne den „Ankauf von Hunden aller Art“ an – Berichte über Erfolg oder Misserfolg der Aktion gab es keine.