Was mag die Mieter einer Parterrewohnung in der Brauerstraße, also in einer durchaus guten Wohnlage Bergedorfs, dazu bewogen haben, mitten im Krieg eine große schwarz-weiß-rote Fahne per Kleinanzeige zum Verkauf anzubieten? Grenzte es nicht an Defätismus, sich gegen schnödes Geld von diesem Symbol des Deutschen Reichs zu trennen und auf den Flaggenschmuck nach einer Siegesmeldung zu verzichten?
Vielleicht gibt es aber eine andere, weitaus banalere Erklärung für die Anzeige: bei dem Haus Brauerstraße 143 dürfte es sich um einen Neubau gehandelt haben, denn im Bergedorfer Adressbuch 1912 taucht diese Hausnummer nicht auf, und die Mehrheit der im Bergedorfer Adressbuch 1915 genannten acht Mieter war im Bergedorfer Adressbuch 1912 unter anderer Anschrift zu finden. Möglicherweise hatte also einer der Parterre-Mieter feststellen müssen, dass sein vom vorigen Wohnsitz mitgebrachtes Riesenbanner als Fassadendekoration hier einfach ungeeignet war – eventuell gab es auch keinen Fahnenmast – und an einem anderem Haus besser angebracht wäre.
Einen Tag Haft für ein Glas Kümmel gab es für den Bergedorfer Wirt Franz Kröger, denn der Ausschank von Spirituosen war in Bergedorf verboten – siehe den Beitrag Bergedorf trockengelegt – das Verbot blieb also länger in Kraft als angekündigt. So ein Verstoß gegen das Gesetz über den Belagerungszustand war demnach gravierend (Höchststrafe: 1 Jahr Haft), eine unerlaubte Tanzveranstaltung, hier: die Übertretung einer Verordnung der zivilen Landherrenschaft, kostete die verantwortliche Wirtin Wilhelmine Jacobs nur eine Geldstrafe von 10 Mark.