Im Oktober 1923 brodelte es unter den über 2.000 Arbeitslosen in und um Bergedorf: sie zogen vor das Bergedorfer Stadthaus und forderten Lebensmittel und Arbeit.
Die wirtschaftliche Lage soll kurz verdeutlicht werden: die Unterstützungssätze für ledige männliche Arbeitslose betrugen ab dem 3. Oktober 60 Millionen Mark pro Woche, für ledige arbeitslose Frauen 48 Millionen Mark – ab 10. Oktober wurden 165 bzw. 130 Millionen Mark gezahlt. Die Lebenshaltungskosten für eine fünfköpfige Familie (Index 1913/14 gleich 1) stiegen von 61.521.799 am 4. Oktober auf 443.083.000 am 11. Oktober (alle Angaben laut BZ vom 4., 5., 11. und 12. Oktober), also um ein Mehrfaches schneller. Außerdem sollte es ab dem 15. Oktober kein subventioniertes Markenbrot mehr geben.
Die Stimmung war also (verständlicherweise) äußerst angespannt, und es war dem Bergedorfer Bürgermeister Wiesner zu verdanken, dass die Demonstrationen „einen durchaus ruhigen Verlauf nahmen“: laut BZ-Bericht gelang es ihm, innerhalb kürzester Zeit nicht nur Milliardenbeträge aus Hamburg bewilligt zu bekommen, sondern auch real auszahlen zu können (möglicherweise mit den auf den 9. Oktober datierten Bergedorfer „Gutscheinen“ von 500 Millionen Mark).
Damit kehrte in Bergedorf wieder Ruhe ein, auch am nächsten Tag in Sande, wo die Geschäftsinhaber Brot und Margarine ohne Gewinn abgeben wollten – die Kosten von 700 Milliarden Mark sollten durch Spenden gedeckt werden (BZ vom 13. und 18. Oktober). In Hamburg gab es durch den Gewerkschaftsbund vermittelte Gespräche zwischen SPD, KPD und USP mit dem Ziel, gemeinsam zugunsten des Proletariats zu agieren (BZ vom 10. Oktober). Die BZ meldete einige Tage später das Scheitern dieser „Einigungsverhandlungen … zwecks Herstellung einer proletarischen Einheitsfront“, nicht aber den Grund des Scheiterns (BZ vom 16. Oktober).