Wer 1922 auf weiße Weihnachten gehofft hatte, sah sich enttäuscht – die gab es erst ein Jahr später (BZ vom 24. Dezember 1923), aber das konnte man ja nicht vorhersehen …
Schlittenfahren und Eislaufen fielen also den relativ milden Temperaturen zum Opfer, doch das „geradezu frühlingsmäßig milde Lüftchen“ war ein „unsichtbarer Kohlengutschein“, wie der Autor der nachweihnachtlichen Betrachtung weiter schrieb; es hatte also auch sein Gutes, dass es nicht kälter war, und die Kinder holten sich draußen keine „blaugefrorenen Näschen und Ohrwascheln“.
Das damals wie heute in Bergedorf und Umgebung ungebräuchliche Wort „Ohrwascheln“ hat wohl manche Leser stutzen lassen, doch konnte man die Bedeutung leicht aus dem Kontext erschließen. In die Bayrische Wikipedia konnte man vor hundert Jahren nicht hineinklicken. Die Verwendung des Wortes lässt aber darauf schließen, dass es den BZ-Redakteur Hanns Lotz aus dem Süden Deutschlands an die Bille verschlagen hatte.
Drei Tage darauf musste Lotz dann den Jahreswechsel thematisieren: „Ein besinnlicher Rückblick ist es stets bei hoch und niedrig, arm und reich, jung und alt. … Ja, es war ein hartes, schweres Jahr, voll von Entsagungen und Not, ein Jahr voll Kummer und Sorgen ums tägliche Brot, das uns hart mitnahm … Liegt hinter uns ein Jahr voll anscheinend nutzloser Arbeit, Mühe und Qual, das uns fast verzweifeln ließ, so ruft der volle Klang der Silvesterglocken den deutschen Menschen heute zu: Nicht verzagen, nicht erlahmen, habt Vertrauen, habt Geduld! Hinter viel tausend Toren wartet das Glück doch unverloren!“ Zunächst aber sollte „kühlere Witterung“ an einem „trüben, regnerischen und kalten Neujahrstag“ eintreten.
Tatsächlich war das Wetter am 1. Januar besser – Hanns Lotz titelte: „Sonniger Neujahrsbeginn“ (BZ vom 2. Januar 1923).