Sich vervollkommnen und dabei auch noch ein Taschengeld beziehen, mit Familienanschluss – welches junge Mädchen wird das in dem schwierigen Jahr 1921 rundweg abgelehnt haben?
Aber: es war eine Stellenanzeige, und die hätte die Ehefrau des Domänenpächters Plass von der Riepenburg auch anders formulieren können: „Dienstmädchen mit Grundkenntnissen in allen Haushaltsarbeiten/Hausfrauentätigkeiten gesucht. Muss im Hause wohnen. Kein Gehalt, nur Taschengeld.“ Das hätte weniger attraktiv geklungen, aber wäre ehrlicher gewesen.
Immerhin: „Keine Leutebeköstigung“ wurde zugesichert – das Mädchen sollte also nicht bei der Essensversorgung der Landarbeiter eingesetzt werden. Was es sonst zu tun hatte (Kochen, Waschen, Bügeln, Nähen, Hausreinigung …), wurde nicht genannt, ebensowenig die Arbeitszeiten und -bedingungen. Untergebracht war sie vermutlich gemeinsam mit dem anderen Mädchen im Souterrain, wo sich laut der bei Simone Vollstädt (S. 39) abgebildeten Bauzeichnung das Mädchenzimmer befand.
Welche Rechte so ein „Mädchen“ hatte, war nicht präzise zu eruieren: die alte Gesindeordnung war Ende 1918 aufgehoben worden, eine neue Rechtsgrundlage gab es bisher nicht. Im Herbst 1921 dann legte die Reichsregierung den Entwurf eines Hausangestelltengesetzes vor, der aber höchst umstritten war: der Bergedorfer Hausfrauenverein lehnte ihn ebenso ab (BZ vom 15. November 1921) wie der Verband der Hausangestellten Deutschlands, dessen Vorsitzende ihn im Zentralorgan des Verbands detailliert geißelte: „Hier haben bei der Bearbeitung Männer und Frauen der neuen Zeit gefehlt. Es riecht nach Moder.“ Angesichts der vorgesehenen „Arbeitsbereitschaft“ von dreizehn Stunden täglich bei einer Sieben-Tage-Woche (mit an zwei Tagen verkürzter Arbeitsbereitschaft), der Gewährung von einer Woche Jahresurlaub erst nach neunmonatiger Beschäftigung im selben Haushalt, um nur einige Punkte aus der Stellungnahme herauszugreifen, dürfte eine Beschäftigung als Mädchen eher der Abhärtung als der Vervollkommnung genützt haben.
Das Gesetz kam offenbar nicht zustande – zumindest war es im Reichsgesetzblatt von 1921 und 1922 nicht auffindbar.