Mietschlichtung und Wohnungsnot

Bergedorfer Zeitung, 28. September 1917

Nun nahm in Bergedorf also eine „Schlichtungsstelle in Miete- und Grundstücksangelegenheiten“ die Arbeit auf, deren Satzung (BZ vom 24. September 1917) Magistrat und Bürgervertretung einige Wochen vorher beschlossen hatten (BZ vom 22. August 1917). Reichlich spät, aber nicht später als z.B. München (S. 15), denn seit 1914 gab es für die Einrichtung von Mieteinigungsämtern eine Rechtsgrundlage (Reichsgesetzblatt 1914, Nr. 113).

Die Zahl der Mietstreitigkeiten hatte erheblich zugenommen und belastete das Amtsgericht (BZ vom 14. Juli 1917), und die BZ wird nicht ohne Grund im Lokalteil darauf hingewiesen haben, dass Räumungsklagen gegen Familien von Kriegsteilnehmern nach  einer anderen Bundesrats-Verordnung nicht durchgesetzt werden konnten (BZ vom 10. Juli 1917). Im selben Monat kam eine Verordnung zum Schutz der Mieter „gegen unbillige Kündigung des Mietsverhältnisses und ungerechtfertigte Steigerung des Mietszinses“ hinzu, nach der das Mieteinigungsamt oder eine andere bezeichnete Stelle generell über Kündigungen und Mieterhöhungen entscheiden sollte (BZ vom 30. Juli 1917), und das führte wohl zur Schaffung der Schlichtungsstelle in Bergedorf. Da diese gemäß Satzung nichtöffentlich tagte, war der BZ nicht zu entnehmen, wie intensiv sie genutzt wurde.

Auf jeden Fall herrschte im Raum Bergedorf Wohnungsmangel (siehe auch den Beitrag Die Gewerkschaften und der Kleinwohnungsbau), es gab einen „Vermietermarkt“: Wohnungen aller Größen fehlten in Bergedorf (BZ vom 17. April 1917) wie in Sande (BZ vom 22. September 1917), in Geesthacht herrschten nach Ansicht des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Paeplow sogar „polizeiwidrige Zustände“ (BZ vom 25. Oktober 1917). Neubauten gab es praktisch keine mehr, denn sie (und sogar kleinste Umbauten) durften nur mit Genehmigung der Militärbehörden ausgeführt werden (BZ vom 16. November 1916), die andere Prioritäten setzten, wie der Einsatz tausender Bauarbeiter in Düneberg und Krümmel zeigt (siehe den Beitrag Streik in Düneberg und Krümmel).

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