Als Zentrum des Musikinstrumentenbaus war Sande nicht bekannt – aber das sollte sich ändern: durch das Verfahren des Sander Kaufmanns Hinrich Ohlhaver (laut Adressbuch wohnhaft in der damaligen Billwärder Straße) konnte jede Geige auf das Niveau einer Stradivari gehoben werden. Als Ausgangsmaterial genügte eine „Markneukirchener Schachtelgeige“, eine „gewöhnliche billige Geige“, wobei diese Herabwürdigung die Markneukirchener mit ihrer seit 1677 bestehenden Tradition des Geigenbaus nicht erfreut haben dürfte, und man darf vermuten, dass unter den 208 Violinen und Geigeninstrumenten im dortigen Musikinstrumentenmuseum keine der Ohlhaverschen Violinen zu finden ist.
Ihre erste öffentliche Bewährungsprobe hatte die Sander „Revalo“-Geige nicht etwa hier, sondern in Berlin: ein veritabler Konzertmeister des Berliner Philharmonischen Orchesters (heute: Berliner Philharmoniker) spielte auf ihr vor Berliner Musikkennern – die Meinungen der Kritiker waren geteilt, aber ein Totalverriss war laut Artikel (der aber wohl von Ohlhaver initiiert worden war) nicht darunter.
Es folgte zunächst eine offenbar nicht-öffentliche Vorführung der Violine in Bergedorf durch Einar Hansen, der „restlos begeistert“ von dem Instrument war und mit „starkem Beifall“ bedacht wurde (BZ vom 2. April). Die Premiere für die Bergedorfer Öffentlichkeit dann verzeichnete laut BZ sogar „stürmischen, reichen Beifall“ für die Künstler und „nicht minder“ den anwesenden Erfinder (BZ vom 29. Juni), der zu diesem Zeitpunkt bereits ein gemachter Mann war – er hatte seine Erfindung für eine Million Mark plus 50 % Gewinnanteil verkauft: die „Revalo-Tonveredelungs-AG, Berlin“ wollte nach erfolgter Patentanmeldung die Produktion aufnehmen (BZ vom 9. Mai), was auch tatsächlich geschah: eine 1922 von der „Revalo-Tonveredelungs-AG, Berlin“ hergestellte Geige war in einer Ausstellung des Musikinstrumenten-Museums Berlin (Ziff. 7.1) zu sehen.
Übrigens: eine Wikipedia-Suche nach „Revalo“ führt auf den Eintrag zu einer Thüringer Puppenfabrik zweier Gebrüder Ohlhaver, deren Markenname „Revalo“ lautete – ob der Sander Hinrich Ohlhaver der dort genannte Hinrik Ohlhaver war, ist unerforscht.
Auf die Stradivari aus Sande jedenfalls wird in einem späteren Beitrag zurückzukommen sein.