Der BZ-Bericht über die am Dienstag, dem 17. März, abgehaltene Versammlung auf dem Brink offenbart eine Reihe von Einzelheiten, die den Artikeln vom Vortag (siehe den Beitrag Der Kapp-Putsch (Teil I)) nicht zu entnehmen waren:
Die aus sechs Personen bestehende Exekutive hatte „vom hiesigen [d.h. Bergedorfer] Magistrat und vom Sander Gemeindevorstand die politischen Machtbefugnisse“ erhalten – also für beide Gemeinden, deren Parlamentarier jeweils (im Gegensatz zur Hamburgischen Bürgerschaft) nicht beteiligt worden waren.
Die Exekutive erließ drei Bekanntmachungen, von denen nur die dritte in der BZ veröffentlicht wurde (dazu unten mehr). In den Bekanntmachungen Nr. 1 oder Nr. 2 wird eine Beschlagnahme von Waffen und Munition im Privatbesitz angeordnet worden sein, um damit eine (in der BZ vorher nicht erwähnte) „Sicherheitswehr“ auszurüsten, die (ähnlich wie in Hamburg) aus freiwilligen Mitgliedern der die Putschabwehr tragenden Parteien SPD, DDP und USP bestand, aber noch weiterer Freiwilliger bedurfte.
Diese Sicherheitswehr durfte nach der plakatierten Bekanntmachung von Bürgermeister Wiesner und Gemeindevorsteher Krell vom 14. März, die die BZ pikanterweise erst am 18. März druckte, sogar im Auftrag der Exekutive Haussuchungen vornehmen, was sie auch tat und was sofort den Bürgervertreter und Rechtsanwalt Kellinghusen auf den Plan rief: er wollte Meldungen all derer sammeln, die von Hausdurchsuchungen betroffen waren, um ein „gemeinsames Vorgehen gegen diese Ungesetzlichkeit“ erreichen – was daraus wurde, ist unbekannt.
Die Putschtage gingen in Bergedorf ohne Blutvergießen zu Ende, obwohl sich hier und in Wohltorf ein Trupp Baltikum-Kämpfer mit 15 Mann und sechs Maschinengewehren verschanzt hatte, wie Markus Drenkhaus in Bergedorf im Gleichschritt, S. 11-27, hier S. 12, schreibt, und ihnen die Bergedorfer Einwohnerwehr, wie Drenkhaus sie nennt, gegenüberstand. Was aus den Soldaten wurde, ist unbekannt. Vermutlich standen sie in Verbindung mit den im Süderelberaum putschenden Baltikumtruppen, die in Harburg erst nach schweren Kämpfen mit der dortigen Einwohnerwehr und dem dortigen Pionierbataillon (so Hans-Dieter Loose, S. 88, siehe auch BZ vom 16. März) gestoppt werden konnten.
Die nebenstehende Bekanntmachung Nr. 3 der Exekutive Bergedorf-Sande ist inhaltlich nicht aufregend: auch die Schulen sollten wieder ihren Betrieb aufnehmen. Aber man erfährt aus dieser Kleinanzeige weitere zwei Namen der Exekutiv-Mitglieder: Ernst Otto (vermutlich aus Sande, Handlungsgehilfe, Schulstraße 39, ansonsten unbekannt) und Ernst Henning, bei dem es sich nur um den 1931 von Nationalsozialisten hinterhältig ermordeten Ernst Henning handeln kann. Dieses Faktum ist Alfred Dreckmann (S. 73) offenbar entgangen: er bezeichnet Henning schon für 1919 als KPD-Mitglied – Henning muss aber einer der beiden USP-Männer in der Exekutive gewesen sein; einen KPD-Mann in der Exekutive hätten SPD und DDP wohl auch nicht akzeptiert.
Dass in diesen Putschtagen Pastor Behrmann als Streikbrecher das Stellwerk der Bahn bediente, wie Dreckmann (a.a.O., S. 17) schreibt, ist schlicht falsch, wie auch aus einer ein Jahr älteren Schrift von Elke und Alfred Dreckmann hervorgeht („Ernst Henning – Vorbild und Mahnung“, Hrsg: DKP Kreis Bergedorf, März 1981, im Bestand des Kultur- und Geschichtskontors): dort zitieren sie aus einer Bürgerschaftsrede Ernst Hennings von 1928, dass diese Aktion während des Eisenbahnerstreiks 1922 stattfand.
Aber das ist Krümelfegerei – entscheidend ist, dass der Putsch abgewehrt und die demokratische Ordnung wiederhergestellt werden konnte. Die „Exekutive Bergedorf-Sande“ gab ihre Waffen wieder ab und löste sich auf.