Einwohnerwehr für Bergedorf?

Bergedorfer Zeitung, 11. August 1919

Ob Bergedorf eine eigene Einwohnerwehr bekommen würde, war fraglich, denn die örtliche SPD hatte in einer Mitgliederversammlung beschlossen: „Die von bürgerlicher Seite angeregte Gründung einer Einwohnerwehr [wird] abgelehnt, da eine Notwendigkeit hierfür nicht eingesehen werden kann.“ (BZ vom 8. August) Also warb Rechtsanwalt Kellinghusen, DNVP-Stadtvertreter und Vorsitzender des Bergedorfer Bürgervereins, Freiwillige für die Einwohnerwehr Groß-Hamburgs an.

In Groß-Hamburg sollte die Einwohnerwehr die bestehende Volkswehr ersetzen, von der Reichswehrminister Noske während der Sülzeunruhen sagte, „daß diese Volkswehr ihre Aufgabe nur in einem sehr mäßigen Umfange erfüllt, so lange es ruhig ist, daß sie aber versagt, sobald ernstere Konflikte drohen.“ (BZ vom 30. Juni) Die Einwohnerwehr wurde dem Korps Lettow-Vorbeck unterstellt und durfte Waffen tragen (BZ vom 4. Juli), die Volkswehr wurde größtenteils beurlaubt und musste ihre Waffen an die Regierungstruppen abgeben (BZ vom 30. Juni).

Aufgabe der Einwohnerwehr sollte es sein, die öffentliche Sicherheit im eigenen Bezirk zu gewährleisten und die Polizei- und Regierungstruppen bei der „Verhinderung und Bekämpfung von Diebstählen, Plünderung und Aufruhr zu unterstützen.“ (Verordnung des Korps Lettow in der BZ vom 4. Juli)

Bergedorfer Zeitung, 4. Juni 1919 (gekürzt)

In Bergedorf war ja während der Sülzeunruhen alles ruhig geblieben, und so kann man verstehen, dass die SPD dort keinen Handlungsbedarf zur Erhöhung der inneren Sicherheit sah. Hingegen hatte der Bergedorfer Rechtsanwalt Timm die Befürchtung, dass Hamburger Unruhestifter den Aufruhr in seine Stadt tragen könnten. Die SPD rief er zur Beteiligung an der Einwohnerwehr auf, denn so könne eine gegenrevolutionäre Betätigung der Truppe ausgeschlossen werden.

In einigen Nachbarorten hielt man die Einwohnerwehr auch schon vor den Sülzeunruhen für erforderlich: als erste Gemeinde der Vierlande beschloss Kirchwärder die Aufstellung einer solchen Truppe „für den Fall des Einrückens größerer Banden, die auf Raub ausgehen“ (BZ vom 30. Mai) und verzeichnete binnen sechs Wochen 250 Meldungen. Hier hatte die SPD offenbar keine Bedenken gegen die Einrichtung: drei der sechs „vorläufigen Abteilungsführer“ waren SPD-Gemeindevertreter (BZ vom 11. Juli).

Und auch in Bergedorf war die Sache noch nicht endgültig geklärt: die DNVP-Abgeordneten in der Stadtvertretung reichten einen Antrag auf Errichtung einer Einwohnerwehr ein (BZ vom 25. Juli), worauf zurückzukommen sein wird.

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