Das Bellevue, auf dem Pfingstberg am Rande des Bergedorfer Gehölzes gelegen, hatte eine wechselvolle Bau- und Nutzungsgeschichte. Das erste „Bellevue“ wurde wohl von dem Grundeigentümer und Bergedorfer Ratmann Schlebusch Anfang der 1840er Jahre erbaut und beherbergte eine Restauration. 1861 pachtete es der Kaufmann Friedrich Stoffert, durch dessen Lebenserinnerungen und Zeichnungen (Friedrich Stoffert: Bergedorf und Umgebung. Illustrierte Erinnerungen, 1822 bis 1888, bearbeitet von Gerhard Stoffert, Hamburg 2006) eine Reihe von Informationen vorliegt.
Eine Zeichnung Stofferts dokumentiert den Bauzustand von 1862 (Stoffert 2006, S. 164), und er schreibt dazu (ebd., S. 157): „Das Gewese bestand aus einem nahezu quadratischen Parterre und einem später davor gehängten Flügel, dem abgebrochenen Frascati entnommen. Das Hauptgebäude war ein starker Massivbau, ursprünglich wohl bestimmt, mehrere Stockwerke zu tragen. …. Unter dem sehr leicht gebauten Flügel befanden sich Stallungen für wenigstens 30 Pferde. Mein erstes war, dies Erdgeschoß zu Wohnräumen einzurichten. Ich gewann so fünf Zimmer für einen mir völlig nutzlosen Pferdestall, denen gegenüber noch kleine Gelasse für Wirtschaftszwecke.“
Überraschend ist dabei die Aussage zur Wiederverwendung eines Teils des ursprünglich am ersten Bergedorfer Bahnhof gelegenen Ausflugslokals „Frascati“.
1862 kaufte Stoffert Bellevue mit dem Grundstück von 500.000 Quadrat-Fuß (41.061 qm) für 35.000 Mark, um es für den Betrieb seiner Kuranstalt zu erweitern (Stoffert 2006, S. 164, S. 228 f. mit Zeichnungen auf S. 193 und S. 195). Der geschäftliche Erfolg war nicht überwältigend, woran auch mehrfache Änderungen des Nutzungskonzepts nur wenig änderten (Stoffert 2006, passim, und Zeittafel S. 253). Über den schließlich aus Altersgründen erfolgten Verkauf durch Stoffert berichteten die „Vierländer Nachrichten“ (21.04.1887, No. 46, S. 1):
Die äußere Erscheinung des Bellevue wenige Jahre später zeigt die 1894 entstandene Fotografie von Carl Griese (in: Georg Staunau, Geschichte der Stadt Bergedorf, Hamburg 1894, o.p., Fototeil S. 17, dort 21 x 27,5 cm):
Nach einem Brand im darauffolgenden Jahr wurde Bellevue neu errichtet, das Hauptgebäude wiederum um einiges vergrößert, wie der Vergleich der Grundrisse auf den Karten von 1875 (Abb. links) und 1904 (Abb. rechts) und auch die Reproduktion einer Ansichtskarte des Neubaus zeigen, siehe Kultur- und Geschichtskontor (Hg.), 850 Jahre Bergedorf. Eine Stadtgeschichte, Hamburg 2012, S. 87.
Beim Vergleich der beiden Karten fällt ins Auge, dass große Teile des ursprünglichen Bellevue-Grundstücks 1904 bereits abgetrennt und mit Villen bebaut waren. Die Querstraßen zur Hochallee sind im Norden des Kartenausschnitts von 1904 der Reinbeker Weg und im Süden die Heuerstraße (heute Teil der Straße Duwockskamp), benannt nach dem Bellevue-Erwerber Heuer (www.bergedorf-chronik.de/strassen/bilder/Heuerstr001.jpg).
Seit 1931, nach dem Abriss von Bellevue, befindet sich hier die Luisenschule, gegründet als private Höhere Mädchenschule, im 20. Jahrhundert verstaatlicht und in ein Gymnasium umgewandelt. Näheres siehe unter „Historie“ auf der Website der Schule.
Vielen Dank für die Bereitstellung dieser und anderer Informationen. Als postgeschichtlicher Sammler mit dem Themengebiet Bergedorf ist es immer wieder schön, wenn man anhand solcher Webseiten z.B. Adressen zuordnen kann. In diesem Fall ein Brief aus Schwerin an: „Fräulein Römer / Belle – vue /by Bergedorf / an der Berlin-Hamburg. Bahn“