„Ohsena“, ein Fleischextrakt-Ersatz eines Altonaer Herstellers, sollte es leichter machen, die bereits mehrfach angekündigten „fleischlosen Wochen“ zu überstehen. Woraus dieses Ersatzlebensmittel „ohne Fett, ohne Fleisch“ bestand, ist der Anzeige nicht zu entnehmen – vielleicht auch gut so.
Vier vegetarische Wochen sollte es von August bis Ende Oktober geben, in denen es statt 200 Gramm Fleisch drei Pfund Kartoffeln extra geben sollte (BZ vom 3. und 17. August 1918). In diesen Wochen war den Schlachtern der Fleischverkauf untersagt; die „Inhaber von Rüstungsfleischmarken sowie Krankenkostmarken für Fleisch“ hatten ihre Rationen jeweils in der Vorwoche abzuholen (BZ vom 14. August 1918) – nicht jeder musste also auf Fleisch verzichten.
Die Reduzierung der Fleischmenge begründete ein Vertreter des Kriegsernährungsamtes in einer Versammlung der Bergedorfer Gewerkschaften damit, dass diese Schonung des Rindviehbestands notwendig sei, um „die Butter- und Milchversorgung nicht zu gefährden“ (BZ vom 14. August 1918) – ob man bei einer Butterration von 30 Gramm pro Woche (BZ vom 17. August 1918) von gesicherter Versorgung sprechen kann?
Zurück zu „Ohsena“ – 1915 hatte derselbe Anbieter seinen „Ochsena-Extrakt“ angeboten, und das könnte ein echter Fleischextrakt gewesen sein, wenn auch deutlich weniger fleischhaltig als der „englische Liebig-Fleischextrakt“, auf den er sich in seiner Anzeige berief (Link zu einem Aufsatz über Die Geschichte von Liebigs Fleischextrakt). Nebenher kann man durch den Vergleich der beiden Anzeigen auch sehen, dass Lebensmittel nicht nur durch Ersatzmittel abgelöst wurden, sondern dass die Geldentwertung davor nicht Halt machte.
„Ohsena“ hatte zwar (siehe Anzeige oben) eine Zulassung der Ersatzmittelstelle Schleswig-Holstein für das gesamte Reichsgebiet, doch endeten die Annoncen vorerst am 30. August 1918. Am folgenden Tag berichtete die Zeitung, dass 700 „Ersatznährmittel vom öffentlichen Verkehr ausgeschlossen werden mußten“. Eventuell war Ohsena davon betroffen – als im Dezember die Firma Mohr ihre Anzeigen wieder aufnahm, hatte sie die Rezeptur geändert: ihr „Fleischextrakt Ohsena“ sei mit 40 Prozent Eiweißgehalt ein hervorragender Fleisch-Ersatz (BZ vom 22. Dezember 1918). Auf eine vollständige Angabe der Inhaltsstoffe wurde aber verzichtet, und vielleicht war auch das gut so.
Ich plädiere für das Löschen dieses „Artikels“, führt er doch nur die Inkompetenz des Autors beredt vor. Für mehr s. https://uwe-spiekermann.com/2021/06/19/ein-fleischersatz-der-besonderen-art-ochsena/
Der Artikel bleibt vorerst ungelöscht. Wenn mir aber der 2021 veröffentlichte Aufsatz von Prof. Spiekermann bekannt gewesen wäre, hätte ich darauf verwiesen, denn die Tiefe seiner Recherche ist beeindruckend. Würde ich meinen Blog-Beitrag löschen, so könnte ich keinen Link zu Herrn Spiekermanns Publikation setzen, und das wäre schade.
Besten Dank für die Antwort. Mein Punkt war nicht, hier Herr Reinert und seine engagierte und wichtige lokalhistorische Arbeit in Frage zu stellen. Dafür kann ich ihn nur beglückwünschen und stehe dabei, so wie viele andere, in seiner Schuld. Mein Punkt ist aber, dass wir uns nie mit der ersten Antwort zufrieden geben dürfen, sondern nachhaken müssen. Geschichte ist immer vertrackter – und wir sollten möglichst vielen Fährten nachgehen. Auch meine Arbeit wird in vielen, vielen Fällen nicht genügen, weil andere diese Fährten aufnehmen und lesen können. Und so soll es sein.