Heutige Leser (und vielleicht auch Leser 1918) werden die Titelzeile dahingehend interpretieren, dass für Bettwäsche keine Bezugsscheine mehr erforderlich waren, sie also im freien Verkauf erworben werden konnte. Das Gegenteil war der Fall: „Auch auf Bezugsscheine keine Bettwäsche mehr“ wäre sehr viel klarer gewesen.
Die übliche (Leinen-)Bettwäsche sollte es nur noch für Kranke auf ärztliches Attest und für Wöchnerinnen und Säuglinge geben – alle anderen mussten sich mit „bezugscheinfreien Papiergarn-Erzeugnissen“ behelfen, doch dazu hatte es bereits am 25. Februar eine gute Nachricht gegeben: „Interessant ist ein neues technisches Verfahren zur Herstellung von Wäsche aus Papiergewebe, das das Kochen und Waschen der Stücke erlaubt, ohne daß das Gewebe auseinanderfällt.“ Ob dem wohl wirklich so war?
Es traf aber nicht nur die Bettwäsche, sondern auch die Tischdecken in Hotels, Restaurants, Kasinos und Klubs: zum 1. Juli wurde ihre Verwendung verboten, nur Papiergarntischtücher durften Verwendung finden: „Die durch das strenge Verbot gewonnenen Wäschestücke sollen in erster Linie für Säuglingswäsche benutzt werden.“ (BZ vom 8. Juni 1918) Zu einer Zeit, in der man von Einweg- oder Wegwerf-Windeln noch nicht einmal etwas gehört hatte, war Leinen unverzichtbar, und so sammelte der Bergedorfer Frauenverein in der „Windelwoche“ alles geeignete Leinen. Wie erfolgreich diese Kampagne in Bergedorf war, wurde nicht berichtet; in Groß-Berlin ergab die Sammlung 492 Zentner (BZ vom 12.Juli 1918).
Abhilfe gegen die Tischtuchkrise in den besseren Lokalen bot die Bergedorfer Papierwarenhandlung Wilhelm Meyer Wwe.: in diesen Wochen annoncierte sie jeden Sonnabend ihre Tischtücher aus Krepppapier.