Nun also doch: überwogen in Ochsenwerder Anfang 1915 die Bedenken gegen den Einsatz von Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft, so meldete die Bergedorfer Zeitung bald danach, dass seit Ende April 1915 vollzogen wurde, was man im Januar noch für unpraktikabel gehalten hatte (siehe den Beitrag Landarbeiter): eine „bedeutende Anzahl“ Kriegsgefangener (165 Mann laut BZ vom 11. Juni 1915) kam in der Ochsenwerder und Spadenländer Landwirtschaft sowie im Gartenbau zum Einsatz – und offenbar herrschte auf allen Seiten Zufriedenheit:
• das Reich sparte die Kosten für die Unterbringung dieser Kriegsgefangenen und entlastete zudem die Lager, musste allerdings Soldaten für die Bewachung abstellen (etwa ein Landstürmer für acht bis zehn Gefangene, siehe BZ vom 4. August 1915),
• Bauern und Gärtner erhielten die dringend benötigten erfahrenen Arbeitskräfte, denen nicht einmal Lohn gezahlt werden musste, und
• die Kriegsgefangenen kamen „freiwillig“, wobei sicher viele dieser Freiwilligen einfach zu allem bereit waren, was sie aus ihrem Gefangenenlager heraus brachte.
Die am Ende des Artikels beschriebene Verständigung zwischen den einheimischen Plattdeutschen und den flämisch sprechenden Kriegsgefangenen aus dem belgischen Flandern war sicher möglich – der Belgier Jacques Brel besang seine flämische Heimat in dem Chanson „Mijn vlakke land“, dem ein Plattdeutschkundiger weitgehend mühelos folgen kann.
Kirchwerder dagegen erhielt 80 russische Kriegsgefangene (die mit der Bahn „angeliefert“ wurden, siehe BZ vom 08. Juni 1915). Die Unterbringung erfolgte in zwei Gasthöfen, die Arbeitszeit war von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends (ebd.).
Trotz der Sprachbarriere schien das Verhältnis zwischen den Bauern und „ihren“ Gefangenen so harmonisch, dass das Stellvertretende Generalkommando in Altona sich zu mahnen bemüßigt fühlte, dass der Verkehr mit den Gefangenen auf „dienstliche Gespräche“ zu beschränken sei und weder Alkohol noch Messer ausgegeben werden dürften: