Bergedorfs Rechts-und-Mitte-Rechts-Lager schmiedete ein Wahlbündnis: die SPD sollte ihre Mehrheit in den städtischen Gremien verlieren, so das gemeinsame Vorhaben von DVP, DNVP, Bürger-, Grundeigentümer- und Ladeninhaberverein, Wirtschafts- und Handwerkerbund, Zentrum und Deutschnationalem Handlungsgehilfenverband, die fortan im Wahlkampf als „Bürgerliste“ auftraten und jegliche Mäßigung vermissen ließen: man wollte vom angeblichen „Terror der Sozialdemokratie“ freikommen. Was damit gemeint war, stand in diesem Artikel und einem weiteren vom 28. Februar (S. 2): die SPD-Mehrheit (mit Unterstützung durch die DDP) habe eine Politik gegen das Bürgertum, aber auch gegen die Arbeiter betrieben und letztlich die Stadt ruiniert.
Die linksliberale DDP hielt zur Bürgerliste Distanz: sie sah sich als Vermittler zwischen den Blöcken und stellte eine eigene Liste auf, auf der unter 20 Kandidaten fünf Frauen waren – Bürger- wie KPD-Liste waren frauenlos, unter den 30 sozialdemokratischen Bewerbern war gerade einmal eine Frau (Bekanntmachung des Rats, BZ vom 23. Februar). Ein ausführlicher Bericht über das Programm der DDP war in der BZ vom 29. Februar (S. 2) zu finden: gewarnt wurde vor einem „Grundeigentümerparlament“ und ebenso vor einer „einseitigen Linkspolitik“.
Die SPD zog eine Bilanz der letzten fünf Jahre (BZ vom 23. Februar), wobei sie die Schuldigen für kommunale Misserfolge vor allem beim Reichstag, der Reichsregierung, der Reichsbank und der Großindustrie sah, aber: „Weil die Sozialdemokratie auf realem Boden praktische Politik getrieben, laufe das Bürgertum jetzt gegen sie Sturm.“ Ratmann Friedrich Frank war Optimist: „Bei der Bergedorfer Wahl seien Überraschungen … nicht zu befürchten“ (ebd.)
Über die Veranstaltung der „Wahlorganisation der Mitglieder der KPD“ am Tag vor der Wahl im Colosseum berichtete die BZ nicht, aber da die Spitzenmänner dieser Partei, Seß und Hinrichs, auch die Veranstaltungen der anderen Parteien nutzten, ihre Sichtweise darzulegen, fanden ihre Positionen auch Niederschlag in der BZ. Die einzige Anzeige der Kommunisten in der BZ warb mit dem Slogan „Laßt Euch nicht verblüffen, wählt die kommunistische Liste!“, aber ohne inhaltliche Positionen (BZ vom 29. Februar).
Die extreme Rechte kandidierte nicht, aber trat durchaus in Erscheinung, wie in einem späteren Beitrag dargestellt werden soll.
Das Wahlergebnis war für SPD und DDP enttäuschend: beide verloren erheblich an Stimmen und Mandaten. Auf Seiten der Kommunisten wird man sich gefreut haben – der Jubel bei der Bürgerliste (13 von 25 Mandaten in der Stadtvertretung) war aber verhalten, denn Bürgermeister Wiesner (SPD) und der besoldete Ratmann Messerschmidt (SPD) blieben in ihren Ämtern, und bei Stimmengleichheit im Rat entschied die Stichstimme des Bürgermeisters.
Auch in den anderen Teilen der Landherrenschaft Bergedorf war ein Trend hin zu den Rändern des politischen Spektrums zu verzeichnen – im traditionell „linken“ Geesthacht wurden die Kommunisten stärkste Kraft; die Sozialdemokraten fielen auf Platz drei zurück.