Heinrich Grube gegen Heinrich Grube

Wie macht man Wahlkampf, wenn die Spitzenkandidaten zweier Listen zur Gemeindevertreterwahl nicht nur denselben Nachnamen, sondern auch denselben Vornamen haben? Vor diesem Problem stand man 1924 in Kirchwärder mit Heinrich Grube und Heinrich Grube.

Bergedorfer Zeitung, 15. Februar 1924

Man sollte meinen, wenn sich in einem Dorf „die vier bürgerlichen Vereine“ zusammentun, um eine gemeinsame Kandidatenliste für die Gemeindevertretung aufzustellen, dass dann das bürgerliche Spektrum abgedeckt ist und nur die Sozialdemokraten als Gegner bleiben – das traf zumindest auf Kirchwärder 1924 nicht zu.

Offenbar hatten die vier Vereine den bisherigen Gemeindevorsitzenden Heinrich Grube (Elbdeich 102) ausgebootet und den Gemüsebauern Heinrich Grube (Elbdeich 189) zum Spitzenkandidaten gewählt. Die Gründe waren wohl nicht nur in der Gemeinde zu suchen: (der Gemeindevorsitzende) Grube hatte sich 1919 zur DDP bekannt und für sie auch zum Landesparlament kandidiert (BZ vom 18. Februar und 13. März 1919); seine bürgerlichen Gegner wiesen 1924 eine deutliche Nähe zur DVP auf, deren Bürgerschaftsabgeordnete Dr. Schween und Amandus Stubbe als Redner bei Wahlveranstaltungen dieser Vereine auftraten.

Bergedorfer Zeitung, 19. Februar 1924

Mit der Nichtnominierung des Gemeindevorsitzenden Heinrich Grube (Elbdeich 102) wollten sich aber nicht alle abfinden: schnell bildete sich eine „Vereinigung für den Wahlvorschlag: Gemeindevorsitzender Grube“, in Anzeigen bezeichnet als „Liste des Mittelstandes“, die „gewissenhaft und ohne Sonderinteressen“ für die Gemeinde arbeiten werde (BZ vom 29. Februar). (Als die BZ Grube nach der Wahl als „Demokraten“, also einen DDP-Mann, bezeichnete, verwahrte er sich dagegen: er und seine Liste seien bürgerlich (BZ vom 3., 13. und 15. März).)

BZ, 27. Februar 1924

Wie sollte nun die andere Seite gegen den Persönlichkeitswahlkampf des Gemeindevorsitzenden agieren? Mit dem Namen „Heinrich Grube“ verbanden die allermeisten Menschen Kirchwärders sicher den bisherigen „Dorfbürgermeister“ (Elbdeich 102) und nicht den Gemüsebauern (Elbdeich 189), also entschieden sich die vier Vereine für den Titel „Liste der bürgerlichen Vereinigung“ und warben in Anzeigen mit den Namen Amandus Stubbe und Dr. Schween (BZ vom 23. Februar), überhaupt nur einmal wurde der Name ihres Spitzenmannes genannt (BZ vom 29. Februar).

Die Liste der bürgerlichen Vereinigung erhielt schließlich die meisten Stimmen (803) und sieben Sitze; die Liste des Gemeindevorsitzenden (615 Stimmen) erhielt ebenso wie die der SPD (657 Stimmen) sechs Sitze (BZ vom 3. und 5. März). Der bisherige Gemeindevorsitzende wurde (auch) durch die Stimmen der SPD-Vertreter mit knapper Mehrheit wiedergewählt (BZ vom 13. März). Die DVP-nahen Kräfte werden frustriert gewesen sein.

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