Ein gutes Vierteljahr nach Kriegsbeginn gerieten die „feindlichen Ausländer“ in einen schärferen Blick der Behörden als bis dahin. Nach einer am 27. Oktober 1914 abgedruckten Bekanntmachung der Landherrenschaft Bergedorf waren ab sofort „Ausländer, d.h. Personen, die keinem deutschen Staate angehören“ verpflichtet, sich im Schloss zu melden und ihren Namen, ihr Alter, ihre Nationalität sowie ihren Beruf und Aufenthaltsort anzugeben, alles „auf dem vorgeschriebenen Formular, das im Meldebureau unentgeltlich verabfolgt wird“. Immerhin: hier wurden offenbar alle Ausländer gleichbehandelt, und das Meldeformular gab es sogar kostenlos.
Vier Wochen danach begann die Differenzierung: die neue Linie war „die Entfernung der Angehörigen der feindlichen Staaten aus dem hamburgischen Staatsgebiet“ – aber mit Ausnahmen: auf Antrag konnte man (wohl nach Einzelfallprüfung) weiter in Hamburg wohnen, und generell ausgenommen waren polnisch-russische Saisonarbeiter, die wegen des Kriegsausbruchs hatten hierbleiben müssen (sie wurden ja auch weiter als Arbeitskräfte benötigt). Alle anderen feindlichen Ausländer aber sollten sich in eine von drei Landgemeinden begeben: Groß-Hansdorf-Schmalenbeck (Landherrenschaft der Geestlande, 876 Einwohner), Geesthacht (5408 Einwohner) oder auf den Ost-Krauel (203 Einwohner) (Einwohnerzahlen aus Verwaltungsbericht 1913).
Das Ziel dieser Maßnahme ist klar: die feindlichen Ausländer sollten von großen Städten und den Küsten sowie Wasserwegen ferngehalten werden, um nicht spionieren oder sabotieren zu können – warum dann aber Geesthacht mit der Pulverfabrik im Westen und der Dynamitfabrik im Osten des Ortes ausgewählt wurde, ist ein Rätsel.
Wie viele Ausländer tatsächlich auf den Krauel bzw. nach Geesthacht zogen, ist der Zeitung nicht zu entnehmen – lange konnten sie dort jedenfalls nicht bleiben, denn laut Bergedorfer Zeitung vom 24. Dezember 1914 mussten sie das gesamte Gebiet der Landherrenschaft Bergedorf alsbald gänzlich verlassen: kein schönes Weihnachtsgeschenk.
-
Anhand ausgewählter Artikel von vor 100 Jahren wird gezeigt, wie sich im, durch den und nach dem Ersten Weltkrieg das Leben in Bergedorf änderte.
Die Kategorie «Bergedorf 1924» setzt die wöchentlich erscheinenden Beiträge zu Meldungen aus den Vorjahren ab 1914ff. fort, die über die Seite «Archiv 1914ff.» erreichbar sind.
-
Neueste Artikel
Letzte Kommentare
- Prof. Dr. Wolfgang Hochstein bei Das „Colosseum“
- Bernd Reinert bei Der Prinz von Bergedorf und seine Residenz
- Matthias Seidel bei Der Prinz von Bergedorf und seine Residenz
- Christel Oldenburg bei Das republikgefährdende Bergedorf-Sander Volksblatt
- Carsten Puls bei Das „Bergedorfer Eisenwerk“ im preußischen Sande
-
Wer lieber selbst historische Ausgaben der „Bergedorfer Zeitung“, der „Bergedorfer Eisenbahn-Zeitung“ bzw. ihrer Vorläufer lesen möchte, hat dazu jetzt online Gelegenheit: die Stabi hat den gesamten Bestand dieser und zahlreicher weiterer Hamburger Blätter digitalisiert und auf dem regionalen Zeitungsportal Hamburger Zeitungen Digital sowie im Deutschen Zeitungsportal der Deutschen Digitalen Bibliothek allgemein zugänglich gemacht:
Archive
Kategorien
Meta