Es handelte sich wohl nicht um einen Einzeltäter, der in der Nacht 50 Pfund Kartoffeln stahl – Kartoffeln, die auf Ewern und Booten vor dem Deichtormarkt lagerten und am Morgen in den Handel gebracht werden sollten – , denn als der Dieb erwischt und verprügelt wurde, „stürzten mehr als 30 Mann herbei“, die bis zum frühen Morgen mit den Vierländer Schiffern Tätlichkeiten austauschten.
Die Behörden handelten erst einige Tage später: „wegen der nächtlichen Schiffsberaubungen“ wurde am Deichtormarkt „ein umfassender Polizeinachtdienst“ etabliert (BZ vom 30. Juli 1923), aber die Vierländer hatten wohl nur begrenztes Vertrauen in die Sicherheitskräfte: viele blieben dem Deichtormarkt fern (BZ vom 2. August 1923), was natürlich die Lebensmittelknappheit in Hamburg weiter verschärfte.
In diesem Zusammenhang muss man den Appell sehen, den die BZ als Top-Meldung des Lokalteils brachte, eventuell veranlasst durch den Senat: die öffentliche Sicherheit sei nicht gefährdet, ein Anlass zur Beunruhigung bestehe nicht, es gebe nur „übertriebene Gerüchte“ über „Vorfälle … im Anschluss an kommunistische Demonstrationen“.
Demonstrationen, Versammlungen und Agitationen der KPD fanden in diesen Wochen in Hamburg wie auch in Bergedorf und Sande statt; sie richteten sich gegen die bürgerliche Reichsregierung wie den sozialdemokratisch geführten Hamburger Senat, die „Gefahr des Fassismus“ (Faschismus) und gegen die Lebensmittelnot (BZ vom 21., 27., 28. und 30. Juli sowie 1. August 1923). Der Senat verbot die von der KPD geplanten öffentlichen Kundgebungen „zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (BZ vom 26. Juli) – die KPD (auch in Bergedorf und Sande) rief zur Schaffung „kampffähiger proletarischer Hundertschaften“ auf, auf den Werften und im Hafen kam es zu weitgehenden Arbeitsniederlegungen, und der Senat verhängte angesichts von Unruhen den Ausnahmezustand. Nach zusätzlichen Lohnzahlungen entspannte sich dann die Lage ein wenig (BZ vom 14. und 15. August) – vorerst.