Es ging den Demonstranten, die zu tausenden in Bergedorf und Sande auf die Straße gingen, um mehr als einen Protest gegen die Ermordung des Politikers Matthias Erzberger – sie sahen die Republik und die Demokratie in Gefahr. Zu der Kundgebung, die gleichzeitig in allen Orten Deutschlands stattfand, hatte die SPD aufgerufen, aber auch die KPD beteiligte sich, obgleich mit anderen Forderungen.
Geht man nach der BZ, verurteilten alle Parteien den Mord – aber dies geschah mit sehr unterschiedlichen Neben- und Zwischentönen: die DDP, in Hamburg wie in Bergedorf Partner der SPD, bekannte sich klar zur Regierung und zur Republik, die durch „wilde Agitation“ von rechts wie links bedroht sei: „Die Radikalen rechts und links verhindern den Wiederaufbau; sie zerbrechen unser Volk; sie treiben beide Klassenkampf.“ (BZ vom 2. September)
Die Hamburger DVP hingegen beklagte die „unverantwortliche Art“, in der die Linksparteien angeblich den Mord instrumentalisierten, was die DVP zwang, wegen der unsicheren Lage ihre Erinnerungsfeier zu Tannenberg und Sedan zu verschieben, obwohl die Partei doch dadurch am „inneren Frieden“ mitwirken wollte.
Aus der DNVP Hamburg gab es in der BZ keine Reaktion auf das Verbrechen – man wird klammheimliche Freude unterstellen dürfen.
Die BZ immerhin hielt sich mit republik- und demokratiekritischen Bewertungen in diesen Tagen zurück, aber ohne sich zu der neuen Ordnung zu bekennen: „Ein neues Glied reiht sich damit an die Kette politischer Mordattentate, die wir seit Ende des Krieges erlebt haben. In die Trauer und den Abscheu über den feigen Meuchelmord mischt sich das tiefste Bedauern über die durch diese Tat erneute dokumentierte Sittenverwilderung und den moralischen Niedergang im deutschen Volke. Auch die schärfste politische Gegnerschaft darf niemals dazu führen, daß das Leben eines Menschen durch ein fluchwürdiges Verbrechen angetastet wird. …. Revolver und Dolch müssen endlich aufhören, im politischen Leben unseres Volkes eine Rolle zu spielen.“ (BZ vom 27. August)
Die Mörder Heinrich Tillessen und Heinrich Schulz, Angehörige der rechtsextremen Organisation Consul, wurden zwar schnell ermittelt (BZ vom 14. September), waren aber bereits nach Ungarn geflüchtet. Erst 1950 wurden sie wegen der Tat verurteilt.