Per Gesetz vom 20. Oktober war im Staate Hamburg die Fortbildungsschulpflicht für alle Jugendlichen unter 18 Jahren eingeführt worden (Gesetzsammlung der Freien und Hansestadt Hamburg (1919)), aber wirklich ausgereift war die Sache nicht: § 10 des Gesetzes überließ die Festsetzung des Datums des Inkraftsetzens dem Senat, dem nicht nur der Erlass von Ausführungsbestimmungen überlassen wurde, sondern auch von im Gesetz nicht spezifizierten Übergangsregelungen.
Aus der Bekanntmachung des Bergedorfer Magistrats geht hervor, dass der Senat gravierende Änderungen vornahm, indem er u.a. Ausnahmegebiete einrichtete: in Bergedorf, Geesthacht und Cuxhaven brauchten die 1917 aus der Schule Entlassenen nicht zur Fortbildungsschule – in allen anderen Teilen Hamburgs unterlagen alle, die 1917 oder später ihre Schulpflicht beendet hatten, der Fortbildungsschulpflicht.
Platzprobleme können bei diesen Ausnahmen eine Rolle gespielt haben, denn eigene Gebäude für Fortbildungsschulen gab es in der Landherrenschaft Bergedorf nicht: der Unterricht wurde in den Stadt- bzw. Gemeindeschulen erteilt – besonders problematisch war dies in der Stadt Bergedorf, wo ja wegen der Schulzusammenlegung und wegen des Schulunterrichts bis 16:30 Uhr kaum Raum und Zeit für die Fortbildungsklassen war, deren Unterricht laut Gesetz um 18 Uhr enden musste.
Im Gesetz hieß es zwar, dass alle Jugendlichen dem Gesetz unterlägen, doch wurde ein Teil der weiblichen Jugend (Schulentlassung 1918) hiervon gleich wieder ausgenommen, „solange das Gesetz für ihren Jahrgang nicht in Kraft gesetzt ist“: sie sollten im Jahresdurchschnitt drei Wochenstunden „Unterricht in Nadelarbeiten“ erhalten. Das war mit Sicherheit kein Beitrag zur Gleichstellung.
Die Anmeldungen für diesen Unterricht liefen offenbar nur zögerlich ein, weshalb Bergedorfs Magistrat mahnen musste: „Wir weisen darauf hin, daß diese Bekanntmachung alle Ostern 1918 aus der Schule entlassenen Mädchen trifft, mögen sie nun gewerblich, im Haushalt oder sonstwie beschäftigt oder ohne Stellung im Elternhause sein.“ (BZ vom 2. Dezember)
Auch im Landgebiet gab es Schwierigkeiten: zwar ist selbst in winterlicher Dunkelheit Schulunterricht möglich, wenn es künstliche Beleuchtung gibt. Allerdings: „In den meisten Schulen sind keine Beleuchtungseinrichtungen“, konstatierte der Gewerbeschulrat Dr. Thomae in einer Versammlung des Landschullehrervereins und erklärte zugleich ein Ausweichen in Gastwirtschaften als Unterrichtsorte wegen „Bedenken sittlicher und erziehlicher Natur“ für nicht erwünscht (BZ vom 20. September), was ja durchaus nachvollziehbar ist. Wie dieses Problem gelöst wurde, das Senat und Bürgerschaft den einzelnen Gemeinden als quasi-Schulträgern zugewiesen hatten, war der BZ nicht zu entnehmen. Jedenfalls wird es den Gemeinden nicht geholfen haben, dass sie bei anerkanntem Raummangel die Zahl der Unterrichtsstunden von 10 auf 6 reduzieren und die Zeit bis 19 Uhr ausdehnen durften, denn heller wurde es dadurch nicht in den Klassenräumen.
Die Gemeinde Kirchwärder plante offenbar, an jeder der fünf Dorfschulen eine Fortbildungsschule einzurichten (Bekanntmachung in der BZ vom 20. November). Ob es überall gelang, die vom Gesetz geforderte „berufliche Grundlage“ des Unterrichts zu gewährleisten, ist unklar, denn den Unterricht erteilten zumeist die „normalen“ Schullehrer (BZ vom 17. November), die auch Allgemeinbildung vermitteln und „auf das Innenleben der Jugendlichen“ einwirken sollten. Der bereits zitierte Schulrat Thomae ging davon aus, dass in den ländlichen Fortbildungsschulen für die landwirtschaftlichen Berufe ausgebildet werden würde. Kirchwärder plante allerdings anders: in der Hower Schule sollte eine Baufachschule entstehen, und mit Hermann Kohpeiß hatte man bereits einen Mann vom Fach (BZ vom 23. September) – laut Hamburger Adressbuch für 1920 war er Maurer.
Angesichts dieser vielfältigen Startschwierigkeiten der neuen Bildungseinrichtungen spricht viel dafür, dass die seit 1903 bestehende (bis 1919 freiwillige) landwirtschaftliche Fortbildungsschule in der Bergedorfer Schule Am Brink sich keine Sorgen um Zulauf machen musste, obwohl sie im Gegensatz zu den staatlichen Schulen Schulgeld verlangte.