In Bergedorf war man sich einig: ein neuntes Pflichtschuljahr war abzulehnen, doch die Bürgerschaft hatte genau das beschlossen (Gesetzsammlung der Freien und Hansestadt Hamburg (1919), S. 363), und so sollte Protest eingelegt werden.
Zwar war die bis dahin achtjährige Schulpflicht per Gesetz schon im Frühjahr 1919 um ein Jahr verlängert worden (Gesetzsammlung der Freien und Hansestadt Hamburg (1919), S. 67), doch waren die Jugendlichen ausgenommen, die eine feste Lehrstelle angenommen hatten (etwa ein Drittel) – diese Regelung hatte allerdings zu zahlreichen Schein-Lehrverträgen und Befreiungen geführt, sodass in Hamburg nur ein Viertel der Schulentlassenen in den „Genuss“ des neunten Pflichtschuljahrs, für das es gar keinen Lehrplan gab, gekommen war, wie Sabine Reh (S. 111-115) schreibt.
Wohl deshalb wurde nach nur einem halben Jahr das Gesetz für den folgenden Jahrgang geändert: Ausnahmen sollte es 1920 nicht mehr geben worden, und Bergedorf fühlte sich davon aufgrund seiner „Insellage“ besonders betroffen, denn in den preußischen Nachbarorten und auch in den Dörfern der Vierlande und der Marschlande sollte es bei acht Jahren bleiben.
Für die Ausdehnung der Schulpflicht waren in Hamburg neben jugendpflegerischen vor allem arbeitsmarktpolitische Gründe ins Feld geführt worden (vgl. Reh, ebd.). Das erklärt, warum die Dorfschulen bei acht Jahren bleiben sollten: außer in Bergedorf und Geesthacht werden die meisten Schulentlassenen landwirtschaftliche Tätigkeiten aufgenommen haben, und angesichts der immer noch sehr kritischen Versorgungslage wollten Senat und Bürgerschaft den Bauern und Gärtnern keine (potentiellen) Arbeitskräfte entziehen.
Ob es wirklich stimmt, dass es in Bergedorf kaum arbeitslose Unterachtzehnjährige beiderlei Geschlechts gab, muss bezweifelt werden – so viel besser als in Hamburg kann die Wirtschaftslage kaum gewesen sein, trotz „Insellage“.
Der Protest der Bergedorfer blieb übrigens erfolglos.