Sande und der Arbeiter- und Soldatenrat

Bergedorfer Zeitung, 4. Dezember 1918

In einer Revolution geht es nicht immer geordnet zu – zumindest kann die Lage manchmal unübersichtlich sein, und das störte die SPD in Sande: sie wollte klare Zuständigkeiten, doch die waren nicht so einfach zu erreichen.

Da gab es die Frage nach der territorialen Zugehörigkeit: Sande lag wie Wandsbek im preußischen Kreis Stormarn, Bergedorf dagegen gehörte zu Hamburg: war also Wandsbeks, Hamburgs oder Bergedorfs Soldatenrat zuständig?

Der Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat bezeichnete sich in seinen Bekanntmachungen als zuständig für „Hamburg-Altona und Umgegend“ (z.B. BZ vom 22. November). Er diskutierte u.a. in seiner 22. Sitzung am 6. Dezember  über die Schaffung eines „Groß-Hamburg“ entlang der Elbe von Lauenburg bis Cuxhaven (siehe die Edition der Protokolle, Dok. 51), enthob die Landräte von Stormarn und Pinneberg ihres Amtes (BZ vom 25. und 23. November), setzte den Regierungspräsidenten von Stade ab (Volker Stalmann, S. 77) und löste Magistrat und Stadtvertretung von Lauenburg auf (BZ vom 2. Dezember). Das zeigt, dass für diesen Rat die alten „Staatsgrenzen“ innerhalb des Reichs keine Rolle spielen sollten, doch gab es in den betroffenen Landkreisen bald Widerstand gegen die imperialen Gelüste der Hamburger (BZ vom 27. November und 2., 4. und 5. Dezember), und auch die revolutionäre Regierung Preußens dachte nicht an Gebietsabtretungen und wollte die Hamburger de-facto-Ausdehnung rückgängig machen (Kirsten Heinsohn, S. 306; siehe auch Hans-Dieter Loose).

BZ, 25. November 1918

BZ, 28. November 1918

Nicht immer war der BZ so eindeutig wie im Falle Besenhorsts zu entnehmen, welcher Rat zuständig war: hier hatte zunächst der Arbeiter- und Soldatenrat Geesthacht (mit Zustimmung des Rates in der Kreishauptstadt Ratzeburg) die Einrichtung von Militär-Stationen angekündigt – doch schon wenige Tage später wurde den Geesthachtern „gekündigt“: vermutlich mit Genugtuung ließ Besenhorsts Gemeindevorsteher den entsprechenden Auszug aus dem Korpsverordnungsblatt abdrucken und ergänzte, dass die Geesthachter auf lauenburgischem Gebiet nichts zu sagen hätten. (Damit war auch die Initiative des Gutsvorstehers Düneberg erledigt, der 120 Freiwillige zur Bewachung der Pulverfabrik angeworben hatte, BZ vom 16. und 25. November).

 

Bergedorfer Zeitung, 20. Dezember 1918

Für Sande war eine derart klare Regelung nicht zu finden, aber es gibt Indizien, dass der Bergedorfer Rat zuständig war und blieb: von der Sander Gemeindevertretung wurde „der Soldatenrat in Bergedorf“ aufgefordert, ständig Wachen in Sande zu stellen (BZ vom 10. Dezember), und als „eine Sicherheitswache in Stärke von 20 Mann“ im „Schwarzen Walfisch“ Quartier nahm, hatte Vorhöfer das Kommando – und Vorhöfer zeichnete neben Storbeck die Bekanntmachungen des Arbeiter- und Soldatenrats Bergedorf-Sande. Andererseits entsandte Sande einen Vertreter in den Lebensmittelausschuss des Kreises Stormarn (BZ vom 19. November); bei der Lebensmittelverteilung blieben die alten Zuständigkeiten bestehen, wie auch aus einer gemeinsamen Bekanntmachung  der Landherrenschaften und des Arbeiter-und Soldatenrats Hamburg hervorgeht (BZ vom 16. November).

Bergedorfer Zeitung, 10. Dezember 1918

Während Sande also bei der Versorgung mit einer gewissen Fremdbestimmung einverstanden war, so störte man sich an dieser in Angelegenheiten des Arbeiterrates: nur vier von sechzehn Mitgliedern des Arbeiterrats Bergedorf-Sande waren aus Sande, und offenbar mischten sich die Bergedorfer in Sander Belange ein, wie aus dem Artikel ganz oben hervorgeht. Knapp eine Woche später hatte Sande dann seinen eigenen Arbeiterrat, der sechs Mitglieder als stimmberechtigte „Beigeordnete“ in die Gemeindevertretung entsandte, was dort vermutlich für neue Mehrheitsverhältnisse sorgte. Warum allerdings Geld für den „Arbeiterrat Bergedorf-Sande“ bewilligt wurde, erschließt sich nicht.

Für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen („Notstandsarbeiten“) und Arbeitslosenfürsorge bewilligte Sande übrigens die gleiche Summe wie das ungleich größere Bergedorf (BZ vom 21. November).

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